Zur Sache: Jammerbranche

Gemäss der Inseratenstatistik der AG für Werbemedienforschung (Wemf) verloren die Printverleger in der Schweiz kumuliert per August insgesamt 38,4 Millionen Franken an Inserateneinnahmen. Eine erschreckende Zahl. Seit Monaten jammert die Branche.

Gemäss der Inseratenstatistik der AG für Werbemedienforschung (Wemf) verloren die Printverleger in der Schweiz kumuliert per August insgesamt 38,4 Millionen Franken an Inserateneinnahmen. Eine erschreckende Zahl. Seit Monaten jammert die Branche. Man beklagt die rückläufige Entwicklung und beschwört ein noch schlechteres zweites Halbjahr herauf. Weltuntergangsstimmung breitet sich aus. Aber bleiben wir mal auf dem Boden der Tatsachen. Die Tagespresse weist zwar ein Minus von 27,5 Millionen Franken aus, die Publikumspresse ein solches von 23,5 Millionen, die Sonntagspresse hingegen konnte um 17,9 Millionen zulegen und innerhalb der Tagespresse sind die Gratiszeitungen weiterhin im Plus.
Der Rückgang von insgesamt 38,4 Millionen in acht Monaten scheint imposant, doch prozentual gesehen geht es um einen Rückgang von nur gerade mal drei Prozent. Ein Rückgang, der wahrlich nicht dramatisch ist. In einer anderen Branche würde man eine solch negative Entwicklung mit einem Schulterzucken hinnehmen. Nicht so in der Medienbranche. Überall hört man von Sparmassnahmen. Man jammert, restrukturiert, friert Budgets ein. Man beklagt sich, dass die Inserenten ausbleiben, und beschwört und hofft auf ein antizyklisches Werbeverhalten. Und was tut man selbst? Man spart bei der eigenen Werbung für die eigenen Produkte. Ob das ein gutes Signal für die Anzeigenkunden ist, darf bezweifelt werden.
Man darf aber auch nichts beschönigen: Die abonnierten Tageszeitungen sind die Verlierer im Kampf um den Werbekuchen. Dies ist nur folgerichtig, denn auch bei der Leserschaft mussten viele abonnierte Titel in den letzten Jahren starke Rückgänge in Kauf nehmen. Dass die Gratiszeitungen auf der ganzen Linie die Gewinner sind, lässt sich nicht wegdiskutieren. Sie sind für die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe gut gemacht, verfügen über eine attraktive junge Leserschaft und sind deshalb interessant für die Werbung. Und sie haben ein anderes Business-Modell. So einfach ist das.
Die ganze kulturpessimistische Jammerei über den Niedergang des Qualitätsjournalismus nützt nichts, die Welt hat sich verändert. Die Anzahl Leute, die bereit sind, für eine Tageszeitung etwas zu bezahlen, wird in den nächsten Jahren nicht zunehmen, sie wird weiter abnehmen. Und es wäre naiv zu meinen, dass die heutigen Jugendlichen, wenn sie dann mal erwachsen und sesshaft sind, plötzlich zu Käufern respektive Abonnenten einer Tageszeitung mutieren. Ein Teil wird das vielleicht tun, doch der grosse Rest wird sich seine Informationen täglich anderweitig, nämlich kostenlos beschaffen. Seien diese gedruckt oder online.
Die Tageszeitung muss sich neu erfinden, damit sie in Zukunft eine zwar kleinere, aber interessante Zielgruppe erreichen kann. Eine, die bereit ist, für Orientierung, Hintergrund und Exklusivität einen hohen Preis zu bezahlen. Ob der bei sechs oder zehn Franken liegt, wird sich zeigen. Doch für ein solch neues Business-Modell braucht es Mut.
Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

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