Native Advertising – eine Mogelpackung

Trotz entsprechenden Warnhinweisen erkennen die meisten Mediennutzer Native Advertising nicht. Dies haben vor Kurzem neuerlich Bartosz W. Wojdynski, Journalistik-Assistenzprofessor (University of Georgia, USA) und David 
A. Hyman, Jura-Professor (Georgetown University, USA), in getrennten Studien festgestellt.

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Beide erforschten, wie beim Native Advertising verschiedene Präsentationsformen beeinflussen, ob Nutzer diese Werbeform erkennen. Sie fragten nach den Auswirkungen, die Design- und Präsentationsmerkmale in digitalen Medien auf die Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Einstellung von Nutzern haben.

Native Advertising geniesst unter Werbetreibenden und bei Medienunternehmen inzwischen mehr Popularität denn je. Viele Mediennutzer ignorieren konventionelle Werbung in Form von Bannern oder Pop-up-Seiten. Deshalb offerieren immer mehr Medienunternehmen Native Advertising als indirekte Form der Werbung. Der Mediennutzer wird dadurch aber meist an der Nase herumgeführt: Jedenfalls werden ihm mit dem Content gleichzeitig journalistische Informationen und Werbung untergejubelt, häufig ohne dass er das merkt.

Bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge spielen Hinweise auf Native Advertising eine wichtige Rolle: Wie solche Hinweise positioniert und formuliert sind, ob und wie prominent ein Logo ins Spiel kommt, entscheidet mit über die Perzeption.

Ernüchternde Ergebnisse

Wojdynski testete in seiner Studie vier Faktoren, die die Erkennung von gesponserten Online-Artikeln beeinflussen. Dazu kreierte er 24 Versionen einer Online-News-Story und variierte den Disclosure-Hinweis beim gesponserten Beitrag. Die Enthüllungsklarheit (disclosure clarity) wurde als hoch («Bezahlte Werbung von XYZ – Name des Sponsors») oder als niedrig («Partner-Inhalt von XYZ») vorgestellt. Das Logo der werbenden Firma war mal präsent und mal nicht. Um die visuelle Prominenz des Hinweises zu variieren, wurde dieser einmal in einem hellen Grau auf weissem Untergrund mit Schrift-Grösse 12 und der gleichen Schriftart des Artikels präsentiert (schwache Bedingung), und variiert in Grösse 16, schwarz auf weissem Untergrund und in einer Schrift, die deutlich von der des Artikels abwich (starke Bedingung). Zudem wurde der Enthüllungsvermerk entweder über dem Titel der Story, am Anfang des Beitrags rechts von der Fliesstext-Spalte oder nach dem zweiten Paragrafen direkt im Text platziert (Embedded-Bedingung).

Die Teilnehmer an Wojdynskis Experiment mussten online einen Artikel in einer der 24 Versionen lesen und dann einen Fragebogen ausfüllen. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Insgesamt, konnten mehr als zwei Drittel (67,9 %) der Probanden den Artikel trotz der Angabe nicht als Native Advertising erkennen. 14,6 % identifizierten sogar den Enthüllungshinweis selbst als klassische Werbung (display advertisement). Lediglich 17,5 % der Befragten erkannten die Werbung im Artikel selbst.

Nur bei zwei Faktoren konnte Wojdynski einen Einfluss auf die Erkennung der Werbung feststellen. Die Präsenz des Logos der werbenden Firma und die starke Variante des Enthüllungshinweises erleichterten signifikant, ob das Native Ad als solches wahrgenommen wurde.

Ausserdem fand der Forscher heraus, dass Testpersonen, die schon mit Native Advertising vertraut waren, mit grösserer Wahrscheinlichkeit den gesponserten Artikel erkannten. Schliesslich konnte Wojdynski zeigen, dass Probanden, die den Artikel als Werbung erkannten, im Vergleich zu anderen Nutzern ihn als qualitativ minderwertig einschätzten und eine geringere Bereitschaft zeigten, den Artikel zu teilen.

Die Studie, die David Hyman mit seinen Kollegen durchführte, hat untersucht, ob Probanden Native Ads, Display Ads und freie Beiträge voneinander unterscheiden können.

Dazu hat das Forscherteam eine Sammlung von 18 echten Online-Beiträgen erstellt, 8 davon mit Native Ads, ein modifiziertes Native Ad, 3 klassische Werbeschaltungen und 6 werbefreie Beiträge. Sie kamen von verschiedenen US Plattformen (The Atlantic, BuzzFeed, Facebook, Forbes, Gawker, Mashable, The New York Times, The Onion, und Vanity Fair). Die Probanden mussten sich online durch alle 18 Beispiele klicken und jeweils angeben, ob sie diese für Werbung/bezahlte Inhalte oder nicht direkt werbefinanzierte Inhalte hielten (mit «Weiss nicht»-Option für Unentschlossene).

Was heraus kam, ist neuerlich enttäuschend. Fast die Hälfte (49 %) der Teilnehmer hielt Native Ads für unbezahlten Inhalt, 14 % konnten sich nicht entscheiden, und nur 37 % erkannten, worum es ging. Dagegen konnten sie Display Ads viel besser erkennen: 81 % lagen richtig, während 19 % falsch antworteten, sie für unbezahlten Content hielten oder unentschlossen waren.
Beide Studien zeigen, dass Native Advertising somit ein Täuschungsmanöver bleibt, das vermutlich vor allem der Glaubwürdigkeit des Journalismus und der Medienunternehmen schadet.

Die Autorin: Georgia Ertz ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Università della Svizzera italiana in Lugano. Sie forscht im Bereich Branding für Medienunternehmen und ist seit September 2017 Projektkoordinatorin des European Journalism Observatory (EJO). Ertz verfügt über einen MA in Corporate Communication. Sie ist 1990 im Tessin geboren und hat deutsche Wurzeln.

Dieser Artikel ist in der Werbewoche 1/2018 erschienen.

Die Studien

Hyman, David A., David J. Franklyn, Calla E. Yee, and Mohammad Rahmati. 2017: «Going Native: Can Consumers Recognize Native Advertising? Does it Matter?» The Yale Journal of Law & Technology 19:77–112, University of San Francisco Law Research Paper. Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=2957956

Wojdynski, Bartosz W. 2016: «The Deceptiveness of Sponsored News Articles: How Readers Recognize and Perceive Native Advertising.» American Behavioral Scientist:1–17.

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