No-Go oder Best Practice?

Im Kampf um die Aufmerksamkeit der Medienrezipienten, schwindende
 Werbeeinnahmen und angesichts digitaler Herausforderungen etablieren sich Native Ads als inhaltsorientierte Werbemittel auch in der Schweiz. Eine aktuelle Studie der Universität Fribourg befasst sich mit dieser neuartigen Marketingtechnik und hinterfragt kritisch deren Einfluss auf den Journalismus.

nativeadvertising

Bereits 2020 soll Native Advertising mehr als die Hälfte der digital ausgespielten Werbung ausmachen. Dies prognostiziert die Studie «Native Advertising in Europe to 2020» von Yahoo und Enders Analysis. Doch die andauernde Diskussion in der Schweiz zeigt, dass sich sogar Branchenexperten uneinig darüber sind, was unter Native Advertising zu verstehen ist und wie derartige Kampagnen umzusetzen sind. Als neue Art der Inhaltsgebung und in Konkurrenz zum Journalismus kreist die Debatte um die Frage, inwiefern profitorientierte Unternehmen mit Native Advertising Einfluss auf die redaktionelle Gestaltung von Medien nehmen können. Diese Diskussion ist geprägt von der wachsenden Bedeutung ökonomischer Verwertbarkeit journalistischer Produkte. Eine aktuelle Abschlussarbeit der Universität Fribourg und eine der wenigen wissenschaftlichen Studien zum Thema hat sich der Standortbestimmung zum Phänomen Native Advertising angenommen. In Interviews sind je drei Akteure der Medien-, Werbe- und Kommunikationsbranche (u. a. Tamedia, Dreicom, Volvo Car Switzerland) dazu befragt worden, was sie unter Native Advertising verstehen, welche Empfehlungen sie für die Umsetzung geben und wie sie den Einfluss der Werbeform auf den Journalismus einschätzen.

Zwischen Selbstdarstellung und Journalismus

Die Datenauswertung zeigt mehrheitlich ähnliche Einschätzungen der unterschiedlichen Interviewpartner: Sie sehen Native Advertising einhellig als Werbemittel, das sich an Layout, Tonalität und Funktionalität des Trägermediums anpasst und inhaltlichen Mehrwert vermittelt. Die beteiligten Akteure führen aus, dass Native-Ad-Kampagnen auf die Markenpräsenz und -wahrnehmung eines werbetreibenden Unternehmens einzahlen, sich jedoch nicht zur Absatzförderung einzelner Produkte und Dienstleistungen eignen. Entsprechend hat die reine Promotion in Native Ads nichts zu suchen. Als inhaltlich prägendes Merkmal von Native Ads wird der für Medienrezipienten relevante und qualitativ hochwertige Inhalt genannt. Um als «relevanter Inhalt» wahrgenommen zu werden, muss sich die Native Ad an Themen orientieren, die das spezifische Medium beschäftigen und entsprechend die Aufmerksamkeit der Mediennutzer garantiert. Unter «qualitativ hochwertigem Inhalt» versteht die Mehrheit der Interviewpartner, dass man sich bei der Redaktion der Native Ad journalistischer Stilmittel bedient und bestenfalls mit Inhaltsexperten des Publishers – zwingend getrennt von ordentlichen Redaktionsmitarbeitenden – oder freischaffenden Journalisten zusammenarbeitet. Wesentlich bei der Orientierung am Medium ist, dass die Marke oder spezifische Markenwerte dabei nicht verloren gehen. Es gilt, die Themen, die die Mediennutzer interessieren, mit eigenen Themen der Marke zu verknüpfen. Dabei kann man als Werbekunde informationsorientiert seine Fachkompetenz unterstreichen oder unterhaltende Geschichten erzählen; je nach Unternehmen, Produkten oder Dienstleistungen, verfolgten Zielen und Orientierung des Mediums. Bei Native Advertising geht es also darum, sich durch Inhalte zu vermarkten. Dies widerspiegelt die Zugehörigkeit der Marketingtechnik zum Content Marketing.

Als neuartiges Finanzierungsmodell sollen mit Native Ads also contentgetriebene Bedürfnisse der werbetreibenden Wirtschaft und medienwirtschaftliche Aktivitäten gedeckt werden. Trotz stilistischer Elemente des Journalismus ist Native Advertising jedoch ein kommerziell motiviertes Werbemittel. Werbung ist kein Bestandteil journalistischen Handels und hat entsprechend nicht den Anspruch, Informationen umfassend und objektiv darzustellen. Gerade wegen dieser Hybridrolle sind auch medienethische Gesichtspunkte im Sinne der Institutions- und Professionsethik zu berücksichtigen. So muss Werbung für den Medienrezipienten stets als solche er- kennbar sein. Das heisst, auch hinsichtlich kommer- zieller Ausrichtung haben profitorientierte Medienunternehmen die Ideale der Sozialverantwortung zu wahren, hier konkret das Transparenzgebot oder den Trennungsgrundsatz. In der Arbeit geben zwei Fallbeispiele einen interessanten Einblick in den aktuellen Stand medienethischer Richtlinien und veranschaulichen die Diskussion rund um Herausforderung und Chance von Native Ads.

Glaubwürdigkeit durch Trennung von Inhalten

Hinsichtlich der formalen Merkmale herrscht bei den beteiligten Akteuren Einigkeit. Native Ads müssen als Werbemittel im Sinne des Transparenzgebots gekennzeichnet sein und die Trennung redaktioneller und kommerzieller Inhalte muss erhalten werden. Andernfalls würde die Glaubwürdigkeit aller Beteiligten und der Werbeform ruiniert.

Die Vorteile einer sauber aufbereiteten Native-Ad-Kampagne: Man kann ein breites Bild seiner Marke transportieren, die inhaltsorientierte Aufbereitung des Werbemittels garantiert die Aufmerksamkeit der Mediennutzer und die Resultate sind gut messbar.

Bei der Diskussion um die Messbarkeit derartiger Kampagnen sind jedoch divergierende Ansichten aufgetreten, was auf die unterschiedlichen Einbettungsvarianten von Native Ads auf Publisher-Websites zurückzuführen ist. So werden auf einigen Plattformen Native Ads im Content-Management-System des Publishers eingebunden und publiziert, andere nutzen dagegen Adserver-Technologien ganz im Sinne des Programmatic Advertising, wo die Anzeigen als Beitrag nahtlos in das dafür vorgesehene redaktionelle Umfeld integriert werden. Letzteres ist zu empfehlen, ermöglicht es doch die vollständig automatisierte Auswahl nach Zielgruppe und Kontext sowie die Überwachung in Echtzeit, um laufende Kampagnen zu optimieren. Zudem wahrt dieses Vorgehen den Trennungsgrundsatz und die Glaubwürdigkeit. Die oben skizzierten Differenzen lassen sich keiner bestimmten Branche zuordnen, unterstreichen jedoch generell die Unstimmigkeit, die bei der Planung und Umsetzung von Native Ads noch herrscht.

Die Nachteile von Native Ads kennzeichnet vor allem die Herausforderung der Entfremdung von Markenwerten. Dies betonen vor allem Vertreter der werbetreibenden Wirtschaft (Werbekunden und -agenturen). Dagegen sehen die Vertreter der Medienunternehmen die Rolle des Werbekunden primär als Ermöglicher von Inhalten und abstrahieren die gemeinsam mit dem Werbekunden diskutierten Themen teils stark.

Native Advertising – neue Einnahmequelle

Der Austausch mit unterschiedlichen Experten aus der Medien-, Werbe- und Kommunikationsbranche zeigt, dass der Stellenwert von Native Advertising in einer Zeit, in der der Werbemarkt im Zuge der Digitalisierung und Globalisierung zu kämpfen hat, vor allem für die Erlöse in der digitalen Werbebranche zunimmt. Der Journalismus wird nach Ansicht der Befragten jedoch nicht unterwandert, sofern die Beiträge durch externe Autoren mit journalistischem Hintergrund verfasst werden, einen inhaltlichen Mehrwert bieten und klar, also auch für Laien verständlich, als solche gekennzeichnet sind. Das schafft die nötige Glaubwürdigkeit und baut Vertrauen auf.

Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass branchenweite Marktstandards und detaillierte Rahmenbedingungen gefragt sind. Hier sind die einzelnen Verbände und Institutionen zum Handeln aufgerufen. Ob die Branche 2020 noch von Native Advertising sprechen wird, darüber sind sich viele der interviewten Experten unsicher. Doch sie sind sich einig darüber, dass inhaltsorientierte Werbemassnahmen mittel- bis längerfristig den digitalen Werbemarkt bestimmen und die Rangordnung um die führenden Einnahmequellen neu festgelegt werden.

Die Autorin: Lara Février studierte an der Universität Fribourg Kommunikationswissenschaft und Medienforschung. Daneben arbeitete sie als Kommunikations- und PR-Beraterin in unterschiedlichen Agenturen, in denen sie unter anderem Erfahrungen in Media- und Public Relations, im Online-Marketing und in der Unternehmenskommunikation sammelte.

Die Studie

Die Arbeit «Native Advertising: No-Go oder Best Practice – eine explorative Studie zur Trennung kommerzieller und redaktioneller Inhalte» kann auf Anfrage zugestellt werden: Senden Sie ein E-Mail an lara.fevrier@gmail.com, Stichwort «Studie Werbewoche». Dieser Artikel wurde bereits in der Werbewoche 18/2016 publiziert.

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