Déformation professionelle – Berufskrankheiten in Werbung und Marketing

Axel Eckstein, Executive Creative Director bei Leo Burnett Schweiz, schreibt in der Werbewoche über Pathologisches in Werbung und Marketing. In dieser Folge: Medialer Alzheimer (morbus preroll).

Beschreibung

Kennzeichnend für die mediale Alzheimer-Krankheit ist das Vergessen altbekannten Mediennutzungsverhaltens und die damit einhergehende Unfähigkeit, dieses im Umgang mit heutigen Online-Werbeformaten wiederzuerkennen.

Ursachen

Durch die steigende Lebenserwartung und die beschleunigte Abfolge medialer Innovationen wird die Krankheit immer häufiger diagnostiziert. Im kollektiven Gedächtnis kommt es zu Ablagerungen von Neologismen («skippen»), welche das Abrufen analoger, jedoch älterer Gedächtnisinhalte («wegzappen») zunehmend erschwert.

Symptome

Betroffene zeigen eine vermehrte Unsicherheit im Umgang mit Werbespots und wiederholen im Abstand von ca. 30 Jahren die immer gleiche Frage: «Was, wenn jemand meine Werbung nach wenigen Sekunden nicht mehr sehen will?» Die Er-krankten reagieren verwirrt, wenn andere Dinge sagen, die sie nicht einordnen können: «Machen Sie einen Film, den sich Menschen freiwillig komplett anschauen wollen.» Die selbstständige Markenführung ist stark eingeschränkt.

Komplikationen

Das in die meisten der Fälle verwickelte Internetunternehmen ist seinerseits an medialem Alzheimer erkrankt. Seine Überzeugung, dass Werbeplatzierungen nicht ablenken und relevant sein sollten, fiel der Vergesslichkeit anheim: Auf der hauseigenen Videoplattform wuchern die Unterbrecher- Formate. Und es wird «vergessen», Nutzern von Ad-Blockern überspringbare Videoanzeigen auszuliefern.

Bisher erschienen:

Grauer Star (celebriti invisibilis)
Kampagnenbruch (damnatio memoriae)
Ordnungszwang (normomanie)
Kunde-Staupe (procure distemper)
Director’s Cut (conceptus amputatis)
Lach-Stau (risum interrupta)
Vorzeitiger Markenerguss (ejaculatio logo praecox)
Ideen-Wundliegen (decubitus idea)
Panisch-progressive Störung (morbus pendulum)
Margenentzündung (gastritis profit)
Erfolgsschielen (strabismus successus)
Goldfieber (febre auri)
Platitourette (repetitio nausea)
Visueller Fetischismus (stimulus best practice)
Probonose (thrombosis facsimile)
Werbespot-Akzent-Syndrom (dyslalie promotoris)

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