Kleine Gemeinde zum Weltstar gemacht

Das Zürcher Oberland hat nicht den Glanz von Istanbul oder Südaustralien. Ein Imagefilm über Gossau zeigt, dass die Gemeinde dennoch viel zu bieten hat – und verschweigt auch nicht, wo sie «kei grossi Gümp» macht. Das 9600-Seelen-Dorf brillierte damit unverhofft bei einem inter­nationalen Tourismusfilm-Award.

Der 17-minütige Imagefilm über Gossau wurde am Grand Prix 2014 des Comité International des Festivals du Film Touristique (CIFFT) in Wien überraschend zu einem der acht besten Tourismusfilme der Welt gekürt. Die Werbewoche sprach mit Regisseur Roland Koch über bescheidene Budgets, überzeugende Geschichten und das Leben auf dem Land.

WW: Ihr Film hat sich gegen 1500 Konkurrenten durchgesetzt und es unter die acht Nominierten geschafft – neben Filmen über Istanbul, Südaustralien oder Dubai. Wie ist Ihnen das mit Ihrem kleinen Film über eine kleine Schweizer Gemeinde bloss gelungen?
Koch: Das habe ich mich auch gefragt. Laut Aussage der Juroren lag es an der Geschichte. Tourismus­filme setzen für gewöhnlich auf aufwendige technische Effekte und bombastische Bilder, die aneinandergereiht und mit Musik untermalt werden. Ich habe stattdessen mit einfachen Mitteln eine Geschichte erzählt, die am Schluss humorvoll aufgelöst wird. Sie handelt von einem Regisseur, der glaubt, einen grossen Star für seinen Imagefilm über Gossau zu benötigen. Während sich dieser Star reichlich Zeit in der Maske lässt, beginnt der Regisseur schon mal, über Gossau zu erzählen. Am Schluss kristallisiert sich heraus, dass es für den Film gar keinen Star braucht – weil Gossau selbst der Star ist.

Für den Film stand Ihnen ein Budget von 70 000 Franken zur Verfügung. Hätten Sie einen ganz ­anderen Film gedreht, wenn das Budget grösser ausgefallen wäre?
Gerade bei kleinen Budgets kommt man nicht umhin, eine gute Idee zu entwickeln, um mit den vorhandenen Ressourcen gezielt da hinarbeiten zu können. Vielleicht fällt das sogar leichter, wenn man über ein kleines Budget verfügt. Grosse Budgets verleiten dazu, Ideen zu kreieren, für die man das verfügbare Geld auch einsetzen kann. Aufwendige Effekte allein machen einen Film nicht besser. Manchmal hätte ich aber gern mehr Zeit investiert, um beispielsweise eine ganz bestimmte Lichtstimmung bei den Landschaftsaufnahmen einfangen zu können.

Was waren die Vorgaben der Gemeinde Gossau?
Die einzige Vorgabe der Gemeinde war es, die schönsten Seiten von Gossau zu zeigen. Wir haben aber nichts inszeniert, was nicht ist. Es ist ein ehrlicher Imagefilm, zum Beispiel was die Ausgangsmöglichkeiten für die Dorfjugend betrifft. Es gibt nun mal nur einen einzigen Jugendtreff in Gossau, «grossi Gümp macht das nöd», beschreibt der Film darum das lokale Nachtleben. Gossau kann dafür mit anderen Stärken punkten.

Jugendhaus-n

Sie haben fast ausschliesslich mit Laien gedreht. Worauf muss man dabei achten?
Es ist wichtig, dass man Laiendarsteller nicht in eine fremde Rolle presst oder sie gar einen auswendig gelernten Text zum Besten geben lässt. Wenn ein Gemeindepräsident vor der Kamera etwas über die Vorzüge seiner Gemeinde erzählen muss, wirkt das schnell aufgesagt und hölzern. Solche Szenen haben wir bewusst weggelassen und für die einzige Sprechrolle mit Peter Fischli einen professionellen Schauspieler eingesetzt. Die Laien im Film spielen keine Rollen, sondern sich selbst.

Mit Dubai oder Istanbul verbindet jeder bestimmte Vorstellungen. Ist es anspruchsvoller, das Einzigartige an Gossau herauszuarbeiten?
Ich glaube, für mich wäre beides gleich anspruchsvoll. Wenn ich einen Filmauftrag von Dubai bekäme, würde ich ebenfalls die Ecken und Kanten zeigen wollen, das, was die Stadt authentisch und sympathisch macht. Dafür müsste ich an der Fassade der gängigen Points of Interest kratzen. Vielleicht ­verfügt man als Regisseur sogar über eine grössere Narrenfreiheit, wenn man über einen unbekannten Ort wie Gossau einen Film dreht – weil noch keine vorgefertigten Klischees vorhanden sind.

Wie haben die Menschen im internationalen Umfeld der Auszeichnung auf den Film reagiert?
Viele hörten natürlich zum ersten Mal von Gossau. Die Reaktionen der Zuschauer waren durchweg ­positiv, sie fanden die Gemeinde sympathisch. Ein Juror aus Berlin wollte Gossau sogar unbedingt kennen lernen. Er ist dann auch tatsächlich ins Zürcher Oberland gereist und hat das Dorf besucht.

Wie gut kennen Sie das Leben auf dem Land aus eigener Erfahrung und was mögen Sie daran?
Ich bin in Flaach im Zürcher Weinland zu Hause. Am Leben auf dem Land gefällt mir, dass es überschaubar ist und man sich gegenseitig kennt. Für mich ist es zudem ein schöner Ausgleich zum Berufsalltag. Wenn ich Fotoaufträge wahrnehme oder mit grossen Filmteams zusammenarbeite, geht es oft hektisch zu und her. Auf dem Land kann ich durchatmen.

Interview: Simone Isliker

In Kürze

Der Imagefilm «Gossau ZH – die lebenswerte Gemeinde im Zürcher Oberland» wurde von Regisseur Roland Koch und Drehbuchautor Flavien Allenspach im Auftrag der Gemeinde Gossau produziert. An Festivals auf der ganzen Welt hat er acht internationale Awards gewonnen und sich dadurch für das Finale, den Grand Prix 2014 des Comité International des Festivals du Film Touristique (CIFFT) in Wien, qualifiziert. Dort schaffte er es unverhofft unter die acht Nominierten. 

 

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