Kostenloser Promifaktor – wie Unternehmen von unfreiwilligen Markenbotschaftern profitieren

Unternehmen können durch berühmte Kunden unbezahlbare Aufmerksamkeit erlangen und ihr Markenimage stärken. Aber das Setzen auf den kostenlosen Promifaktor gleicht einem Glücksspiel und birgt auch Risiken.

Prominente und erfolgreiche Werbung – eine Kombination, die vielen Marketern nahezu ein Naturgesetz zu sein scheint. Zumindest nimmt die Anzahl an Testimonial-Kampagnen stetig zu, wie eine aktuelle Studie von CPI Celebrity Performance zeigt. Besonders die erfolgreichen Athleten zuschauerträchtiger Sportarten stehen dabei hoch im Kurs, versprechen sie doch meist geradezu lehrbuchhafte TestimonialCharakteristika: gutes Aussehen, allgemeine Bekanntheit, ein hohes Ansehen in der sportbegeisterten Zielgruppe und im Idealfall eine charismatische Ausstrahlung. Das typische Image eines Leistungssportlers tut sein Übriges: (Selbst-)Disziplin und Ehrgeiz verknüpft mit Jugend und überdurchschnittlichem Erfolg. Welches Unternehmen möchte diese Eigenschaften nicht auf seine Produkte oder im besten Fall auf die gesamte Marke übertragen wissen?

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Athleten – glaubwürdig, aber teuer

Empirische Studien scheinen Marketern, die auf den Sportlerfaktor setzen, recht zu geben. So beziffert eine 2012 veröffentlichte Studie der Harvard Business School die durchschnittliche Umsatzsteigerung durch den Einsatz von Starsportlern als Markenbotschafter auf vier Prozent. Laut einer Untersuchung der ESB-Business-School der Hochschule Reutlingen werden Athleten zudem als glaubwürdiger bei der Vermittlung von Werbebotschaften eingestuft als prominente Schauspieler, Sänger und Politiker. Der Einsatz eines Spitzenathleten als Markenbotschafter ist jedoch bekanntlich meist mit exorbitanten Werbegagen verbunden. So verdiente Tennisass Roger Federer laut Forbes im Jahr 2014 insgesamt mehr als 40 Millionen Dollar durch Verträge mit unter anderem Nike, Credit Suisse, Mercedes-Benz und Gillette. Besteht jedoch kein ausreichender Fit zwischen Produkt und Sportler oder behalten die Verbraucher bei einem Athleten, der schon für Chips, Würste und Kopfhörer geworben hat, irgendwann einfach nur och den Sportler und nicht mehr die beworbene Marke im Hinterkopf, besteht die Gefahr, dass die teure Testimonial-Kampagne in der Masse der -unzähligen Promi-Spots untergeht. Das werbende Unternehmen setzt dann im besten Fall richtig viel Geld in den Sand, im schlechtesten Fall leidet auch das Image der Marke. Ganz davon zu schweigen, dass sich kleinere Unternehmen mit einem niedrigen Werbebudget oder Start-ups entsprechende Topsportler als Testimonials überhaupt nicht leisten können.

Kostenlose Markenbotschafter: Imagebooster?

Wie praktisch wäre es da, auch ganz ohne Multimillionenvertrag und damit ohne finanzielles Risiko vom Image eines bekannten Athleten profitieren zu können – am besten bei maximaler Authentizität des Testimonials. Wunschdenken? Nicht unbedingt. Man muss als Unternehmen nur richtig viel Glück haben, so wie beispielsweise das Modelabel Superdry. Dank der unbezahlten Unterstützung der Werbe- und Fussballikone David Beckham erlangten dessen Produkte weltweite Aufmerksamkeit. Mitbegründer James Holder entdeckte im Jahr 2005 rein zufällig den damals neuen David-Beckham-Kalender im Schaufenster eines Schreibwarenladens. Und was prangte da prominent auf dem Titelbild? Der englische Fussballstar im blauen T-Shirt mit der Aufschrift «OSAKA 6», welches Holder höchstpersönlich für sein damals zwei Jahre altes Start-up entworfen hatte. Einen Werbevertrag mit Beckham hätte sich das damals noch junge Unternehmen, das bis heute keine Endorsement-Verträge mit Prominenten eingeht, wohl niemals leisten können. Aber durch Beckham, der noch des Öfteren in SuperdryKleidung gesichtet werden sollte, gewann Superdry nicht nur internationale Aufmerksamkeit. Die kostenlose «Testimonial-Werbung» des stylischen Fussballstars bot zudem eine Authentizität, die bezahlte Kampagnen der Natur der Sache nach nur schwerlich vermitteln können: Verbraucher vertrauen einer Nielsen-Umfrage zufolge unternehmensunabhängigen Empfehlungen von Freunden und Bekannten sowie Bewertungen in Online-Kommentaren im Allgemeinen deutlich stärker als klassischen Werbeformen. Ein mehr oder weniger zufällig geschossenes Bild eines Promis beim Tragen eines neuen Labels, Fahren eines schnellen Autos oder Verzehren eines appetitlich aussehenden Burgers ist dabei eine unternehmensunabhängige Empfehlung der Extraklasse. Umso bekannter und vorbildhafter der abgebildete Sportler oder Prominente, umso besser.

So dürfte sich auch Land Rover über die kostenlose Unterstützung durch Manchester-United-Star Wayne Rooney gefreut haben: Zahlreiche Bilder und Artikel über den Stürmer und seinen massgeschneiderten Range Rover kursierten im Netz. Dabei soll Rooney den Range Rover sogar luxuriösen Autos des offiziellen Manchester-United-Sponsors Chevrolet vorgezogen haben. Das Beispiel zeigt somit auch, dass teure Sponsoring-Kampagnen immer ein gewisses Risiko bergen. Die laut «Mail» immerhin rund 53 Millionen Euro teure Chevrolet-Kampagne dürfte durch die unfreiwilligen Werbefahrten des Briten und seiner Mannschaftskollegen, die ebenfalls weiterhin in ihren Porsche und Mercedes– Karossen gesichtet wurden, zumindest nicht gerade befördert worden sein.

Unautorisierte Bilder können teuer werden

Passive und kostenlose Promotion von Marken durch Athleten und sonstigen Promis klingt verführerisch, gleicht aber letztendlich doch einem Glücksspiel, denn sie kann natürlich nicht vorhergesehen oder gar gezielt geplant werden. Auch sollten Unternehmen im ersten Glückstaumel angesichts des gerade aufgetauchten Fotos eines Spitzensportlers in den neu herausgebrachten Laufschuhen nicht alle Vorsicht über Bord werfen und die «Beweis-fotos» ungehemmt über die eigene Website und soziale Medien verbreiten. «Entsprechende Bilder dürfen nur beschafft und verwendet werden, wenn die abgebildete Person dazu ihre Einwilligung erteilt hat, alles andere wäre eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Wenn es sich um eine Bildverwendung zu Werbezwecken handelt, ist eine ausdrückliche Einwilligungserklärung der betroffenen Person notwendig», gibt Dr. Andreas Meili, Anwalt für Medien- und Werberecht in Zürich, zu bedenken. «Zwar muss sich eine prominente Person grössere Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte gefallen lassen als normale Personen; dies gilt aber nur, wenn solche Eingriffe durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gedeckt sind. Die Beschaffung und Verwendung von Bildern von Prominenten mit Produkten steht jedoch nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse, sondern im privaten Werbeinteresse des betreffenden Produktanbieters.» In einem solchen Fall stelle die unautorisierte Beschaffung und Verwendung solcher Bilder folglich eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung dar, so Meili. Auch die Verwendung des Namens von Prominenten, welche in erster Linie der Werbung von Produkten des Anbieters dient, sei nur zulässig, wenn der betreffende Prominente darin eingewilligt habe. Hinzu komme, dass viele Prominente exklusive Werbeverträge mit bestimmten Produktanbietern abgeschlossen haben und damit gutes Geld verdienen. «Deshalb wehren sie sich meistens auch gegen Dritte, welche mit ihrem Namen und ihrem Bild als ungefragte Werbeträger Werbung treiben wollen», sagt Meili.

Die FAZ musste dies schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Tennisstar Boris Becker verklagte den Verlag, weil die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sein Bild neben der Schlagzeile «Der strauchelnde Liebling» im Herbst 2001 ohne Autorisierung auf einer fiktiven Titelseite im Rahmen der Werbekampagne zur Einführung des Blattes abgebildet hatte. Das Landgericht München gab dem ehemaligen Tennisidol recht und verurteilte den Zeitungsverlag zur Zahlung von 1,2 Millionen Euro plus Zinsen an Becker.

Vergleichbare Fälle mit Schweizer Prominenten enden Meilis Erfahrung nach zwar meist mit Vergleichen, werden also nicht gerichtlich, da die Rechtslage relativ klar ist. Dennoch kann die so praktisch erscheinende, kostenlose Werbung schnell richtig teuer werden. Unternehmen, die Fotos von bekannten Sportlern, Schauspielern oder Politikern beim Nutzen ihrer Produkte entdecken, können zwar durchaus darauf hoffen, dass sich das Bildmaterial durch mediale Berichterstattung oder soziale Medien ganz ohne ihr Zutun weiterverbreitet und so die Bekanntheit und Popularität der eigenen Marke ankurbelt. Selbst aktiv werden können Sie jedoch rechtlich gesehen kaum. Dennoch: Marken, die durch ihr Design oder auffällige Logos für Wiedererkennungswert sorgen, schaffen immerhin beste Voraussetzungen dafür, dass im Fall eines mit dem Produkt gesichteten prominenten Kunden auch ohne eigenes Zutun ein Stück von dessen Bekanntheit auf sie abstrahlt.

Jessica Kliem hat an der Freien Universität Berlin Politikwissenschaft studiert. Nach einem Volontariat in der Verlagsbranche ist sie derzeit bei der englischen Agentur Searchlaboratory im Bereich Online-Marketing tätig.

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Bild: Keystone

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