Dusseliges Dumm-Deutsch

Anne-Friederike Heinrich, freie Mitarbeiterin der Werbewoche, über Wörter, Unwörter und Dummwörter.

Derzeit sind im deutschen Sprachraum wieder alle auf der Suche nach dem Unwort des Jahres. In Deutschland darf jedermann noch bis zum letzten Dezembertag Vorschläge einreichen, welchem Wörtchen der zweifelhafte Ruf «Unwort des Jahres 2013» gebührt. Als Schweizer Unwort-Star des Jahres wurde bereits das Adjektiv «systemrelevant» gekürt.

«Sprachliche Ausdrücke werden dadurch zu Unwörtern, dass sie von Sprechern entweder gedankenlos oder mit kritikwürdigen Intentionen verwendet werden, und dies im öffentlichen Kontext», definiert die deutsche Unwort-des-Jahres-Jury. Einige der berühmtesten Unwort-Exemplare sind Peanuts (1994), Kollateralschaden (1999) und Ich-AG (2002).  Mein persönlicher Favorit ist «Döner-Morde», das deutsche Unwort von 2011.

Gequirlte Sprache

Eigentlich ist bereits das Wort «Unwort» ein Unwort. Denn streng genommen ist ein Unwort ein Wort, das es nicht gibt, ein Nicht-Wort – das nämlich sagt das Präfix un-. Ehrlicher und klüger wäre es deshalb, von Dummwörtern zu sprechen, denn um solche handelt es sich in realiter. Dummwörter gibt es wahrlich viele. Und sie werden gerne, oft und seeeeeeeeeehr gedankenlos gebraucht. Wer welche sucht, wird nicht nur im politischen Einheits-Palaver fündig, sondern meist auch unter neu gebildeten, trendig-flippigen Anglizismen oder vielmehr unter den Wörtern, die gerne ebensolche Anglizismen wären. Und doch nur gequirlter Deutsch-Englisch-Blech-Sprech sind. Dass man im schweizerischen Sprachgebrauch manches «easy» nimmt und ganz «relaxt» in einen «Car» steigt, ist gut, richtig und völlig normal. Sprache lebt, und Fremdsprache belebt. Aber dreht sich Ihnen nicht auch der Magen um, wenn Sie an einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt lesen: «Geniessen Sie unsere alkoholfreien Finest Getränke warm und kalt»? Wozu so ein Quatsch? Naja, wenigstens haben sie nicht geschrieben «geniessen Sie unsere finesten Getränke …». So viel Durst kann ich gar nicht haben!

Sprach-Abriss

Und in Zürichs Villenquartier entstehen nun Traumwohnungen mit «Dressing Rooms» (toll, so eine eigene Salatbar!) und «Built-in Schränken». Da muss man sich schon fragen, ob nur die Macher der Werbebroschüre oder auch die Architekten einen an der Pfanne haben. Ist ein klassischer Einbauschrank zu wenig sexy für eine Hütte, deren magerste Ausführung 1,5 Millionen Franken kostet (für 2,5 Zimmer!)? Und klingt «Ankleidezimmer» nicht sogar mondäner als «Dressing Room»? In meinen Ohren schon. Nun ja, wer nicht genau verstanden hat, um welche Räumlichkeiten genau es sich handelt, kann sich im «Showroom» auf der Baustelle sein eigenes Bild von der «polygonalen Formgebung» der beiden «Wohnkörper» machen. Neu trifft alt, Wohnkörper trifft Lehrkörper und dann gibt es in Ausdruck und Grammatik eine glatte Eins.

In diesem völlig verwurmten (Sprach-)Bauwerk fehlen nun eigentlich nur noch der «Icecubemaker- Cold Schrank», eine «Sitz Edge» und mindestens zwei «Wet Räume», früher hätte man von Nasszellen gesprochen, heute eher von Badezimmer oder – wenn schon nobel, dann richtig – von Wellness- Oase. Aber da sich sowieso nur noch Russen ein Häuschen am Züriberg leisten können, ist es wahrscheinlich völlig übertrieben, das Augenmerk auf sprachliche Feinheiten zu richten. Nicht unwahrscheinlich, dass das Esszimmer in ein paar Jahren «Za zdorov›e Raum» (zu deutsch etwa: Prost-Kammer) heisst. Und niemand das seltsam findet. Bis auf die Unwort-des-Jahres-Jury und ein paar sprachverliebte, heillos staubige Journis: «Ey, bist Du dusty [dösti], ey!» 

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