Der Social-Mix

Beat Hürlimann ist freischaffender Werber und passionierter Beobachter der nationalen und internationalen Social- Media-Szene. Über seine Erkenntnisse berichtet er exklusiv in der Werbewoche und auf seinem Blog huerlimanncc.com.

Wir werden mit News und Tipps zum Thema Social Media überschüttet. Alle meinen es gut, mich eingeschlossen. Dabei geht nichts über die eigene Erfahrung. Deshalb: Starten Sie sofort und probieren Sie die Dinge aus. Es folgt eine Anleitung für den Social-Mix.

Mobile first!

«Mark Zuckerberg has insisted that every new feature for Facebook be developed for mobile first.» Wir alle sollten es ihm gleich tun, denn bereits heute erfolgen 70 Prozent aller Facebook-Zugriffe via Smartphone. Das sind 54 Prozent mehr als vor einem Jahr. Der Boom hat auch die Werbung erfasst: Im ersten Quartal 2013 trugen die mobilen Anzeigen 30 Prozent zum Facebook-Werbeumsatz von 1,25 Milliarden bei. Auch bei YouTube erfolgt bereits jeder vierte Videozugriff über ein Smartphone oder Tablet. Gemäss eMarketer werden die Zugriffe auf Social Media via Mobilgerät 2013 nochmals um 43 Prozent zulegen. Responsive Design ist gut, denn es sorgt für eine der Gerätedimension entsprechende Darstellung der Inhalte. Responsive Content ist besser, denn die Bedürfnisse der Mobile-User von unterwegs sind andere als jene aus Bürostuhl und Sofa. Sie sind beispielsweise Wettereinflüssen ausgesetzt, besuchen Veranstaltungen, befinden sich auf dem Weg zur Arbeit, flanieren durch Shoppingzonen oder bestaunen Sehenswürdigkeiten. Daraus lassen sich Ideen ableiten, die das Echtzeit-User-Erlebnis dank GPS-Lokalisierung und Big-Data mit kontextbezogenen Anzeigeninhalten bereichern.

Mix it up!

Die von den Usern besonders geliebten Social-Media- Plattformen sind untereinander kompatibel, weil die User das so wünschen, weil sie sich mit den besten Features aus den verschiedenen Plattformen ihr eigenes Erlebnisprogramm zusammenstellen. Das technische Prinzip offener Programmierschnittstellen (API) ist auf die dafür erforderliche, friktionsfreie Integration ausgerichtet. Zwei Beispiele: Sie verkaufen bequeme Dessous, Ihre Zielgruppe umfasst engagierte Business-Frauen zwischen 30 und 50? Dann laden Sie die besten Aufnahmen Ihres Shootings exklusiv auf Pinterest hoch. Denn Pinterest ist das Social-Media-Netzwerk für die interessierte Frau mit Stil und Beeinflusser-Status. Die durchschnittliche Verweildauer ist mit 405 Minuten pro Monat und Userin die höchste, und die Weiterverbreitung der gesammelten Inhalte via Facebook, Twitter, Email oder Embedding ist kinderleicht und wird rege genutzt.

Kennen Sie Psy? 38 Millionen Views verzeichnete sein Musikvideo «Gentleman» auf YouTube – nach 24 Stunden, diesen April 2013, 248 Millionen nach zwei Wochen. Psys erster Hit «Gangnam Style» liegt nach wenigen Monaten bei 1,5 Milliarden Views. Willkommen in einer neuen Medienzeitrechnung mit neuen Effekten. Das Video startete auf YouTube und wurde dann über Facebook und Twitter zusätzlich angeheizt. Solche Verbund-Effekte sind auch für Sie möglich. Vorausgesetzt, Sie starten Ihre Präsenzen von Beginn weg auf den beliebtesten Plattfor men, welches Facebook, Twitter, Google+ und You- Tube sind. Dazu LinkedIn, Xing und Slideshare für B2B sowie Instagram und Pinterest zur Verbreitung Ihrer visuellen Inhalte.

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Into the Newsfeeds!

Die Antwort auf die Frage nach der bestmöglichen Werbeplatzierung innerhalb des gesamten digitalen Universums kann nur lauten: im Newsfeed der Social- Media-Plattformen. Gemäss einer aktuellen eMarketer-Studie haben «sponsored posts» und «sponsored tweets» eine 46-Mal höhere Wahrscheinlichkeit, Click Throughs, Likes, Comments oder Retweets zu landen als Anzeigen, die ausserhalb des Newsfeed auf der «right hand column» erscheinen! Ob LinkedIn, Google+, Twitter, YouTube oder Facebook Home – alle Plattformen haben ihre Mobile-Apps auf das gleiche, Bildschirm füllende ein- oder zweispaltige Newsfeed-Erlebnis ausgerichtet. Das heisst, Platzierungen ausserhalb des Newsfeed kann man im modernen Media-Mix mit 70 Prozent Mobile-Nutzung langsam, aber sicher vergessen. Die erfolgreiche Suche nach dem richtigen Social-Media-Mix liegt also zu grossen Teilen im Verständnis der Algorithmen, also jenen Programmen, welche die Posts den Newsfeeds der einzelnen Userinnen und User zuteilen.

EdgeRank ist der Algorithmus, mit dem Facebook bestimmt, welche Posts in den Newsfeeds der einzelnen User erscheinen, mit dem Ziel, den Usern möglichst nur relevante und bedürfnisbezogene Inhalte anzuzeigen. EdgeRank ermittelt nach dem Relevanz-Prinzip, nach dem heute alle führenden Suchmaschinen und Social-Netzwerke Inhalte zuteilen. Die Formel setzt sich aus drei Variablen zusammen:

1. Affinity –  Sie beleuchtet die Beziehung zwischen den Benutzern. Hat ein User viele Interaktionen mit Ihren Inhalten, steigt der Affinity Score, und die Wahrscheinlichkeit, dass der Algorithmus Ihre Posts in seinem Newsfeed publiziert, ist erhöht. Wir bezeichnen solche Posts, mit denen Sie es als Marke direkt in die Newsfeeds schaffen, als «owned media content». Seit 2011 hat sich die Anzahl Brand-Posts versechzigfacht. Das Durchkommen wird selbst bei gutem Affinity Score immer schwieriger. Besseres Durchkommen verspricht «earned media content». Es sind Stories, etwa positive Erfahrungsberichte über Firma oder Produkte, die User selber posten und die sich so in den Newsfeeds derer Freunde verbreiten. Marken, die den Stoff für positive Markenerlebnisse zum Weitererzählen liefern, haben einen Wettbewerbsvorteil. Der dritte und einzig planbare Weg in die Newsfeeds weist uns der «paid media content». Sie können dabei eigene Inhalte promoten, die dann im Newsfeed je nach Plattform mit dem Hinweis «sponsored» erscheinen.
 
2. Edge Weight
–  Beleuchtet die Inhaltsvorlieben der einzelnen Benutzer. Wie häufig hat ein User bei gleichen oder ähnlichen Inhalten eine Reaktion gezeigt? Reagiert er auf Texte, Fotos, Videos oder Call to Actions? Haben Sie gewusst, dass Call to Actions und Bilder fünfmal mehr Reaktionen auslösen als blosse Textposts? 50 Prozent aller Newsfeed-Inhalte enthalten heute Bilder oder Videos, doppelt so viele wie vor einem Jahr. Die Zeichen stehen in allen Social-Media -Netzwerken auf Visual Storytelling – weil alles Visuelle den Usern die höchsten Reaktionsraten abgewinnt. Pinterest, Instagram, Twitter mit der Kurzvideoform «Vine», sowie YouTube mit neuen Werbe- und Kooperationsmodellen sind besonders verwöhnte Kinder im tobenden Social-Bildersturm.

3. Time Decay ist die dritte Variable. Sie ermittelt die Aktualität eines Posts und wie sich dieser im zeitlichen Reaktionsverlauf innerhalb der Facebook-Gemeinde verhält. «Decay» ist spannend, denn sie liefert Erkenntnisse und schafft Raum für Kreativität. 90 Prozent aller Reaktionen auf Facebook und 92 Prozent auf Twitter erfolgen innerhalb der ersten Stunde nach Veröffentlichung. Gemäss einer Edison- Studie erwarten überdies 42 Prozent aller Social Media User innerhalb einer Stunde eine Reaktion, nachdem sie auf einer Brandpage ein Anliegen gepostet haben. User begrüssen und belohnen kernige Aktualitätsbezüge von Marken zu «breaking news» mit hohen Reaktionsraten. Vorausgesetzt, die entsprechenden Posts erfolgen innerhalb besagter Stunde. Real Time Posting ist einer der stärksten Aktivitäten-Treiber in den Newsfeeds der Social- Media-Plattformen. Unter seiner Dynamik entstehen die kreativsten Kampagnen – Beispiele sind die diesjährigen Superbowl-Anzeigen, und werbetreibende Firmen und Agenturen beginnen mit der Einrichtung von Organisationseinheiten, die voll auf «speed posting» ausgerichtet sind. Beispiele sind das Digital Acceleration Team (DAT) von Nestlé und das Social Intelligence Command Center (SICC) des amerikanischen Kommunikationsunternehmens Edelman. Edelman konnte gemäss eigenen Angaben mit Real Time Posts die Anzahl Aktivitäten in den Newsfeeds von Kunden um 400 bis 600 Prozent steigern.

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Beat Hürlimann

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