Mit Social Media zum neuen Job?

Die Suche nach einer neuen Stelle oder einem neuen Mitarbeiter kostet viel Zeit und oft auch Nerven. Personalberatungen wie Designerdock unterstützen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dabei, in den richtigen Konstellationen zueinanderzufinden. Die Werbewoche fragte die drei Beraterinnen der Zürcher Designerdock-Filiale, Beate Reuther, Maya Schneeberger und Marion Willim, welche Rolle Social Media im Bewerbungsprozess spielen und wie sich die Bewerber- und Stellensuche in Zukunft verändern wird.

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WW: Designerdock hat im Februar eine Umfrage zur Bedeutung von Social Media bei der Stellensuche gemacht. Wie wichtig sind Twitter, Facebook, Xing und andere Soziale Netzwerke bei der Suche nach einem neuen Job?
Beate Reuther: Obwohl Social-Media-Plattformen ständig an Bedeutung gewinnen, sind Social Media bei der Jobsuche im Vergleich zu den klassischen Quellen noch nicht wirklich relevant und liegen im hinteren Mittelfeld. Demgegenüber hat das persönliche Netzwerk bei der Suche nach interessanten Stellen an Bedeutung gewonnen und steht bei den Befragten zum ersten Mal an erster Stelle. Auf dem zweiten Platz liegen die bekannten Online-Portale, dicht gefolgt von den Websites der Agenturen und Unternehmen. Das bedeutet aus unserer Sicht, dass Social Media zurzeit noch vorwiegend privat genutzt werden, nämlich zur digitalen Vernetzung und als Multiplikator für den Ausbau des persönlichen Netzwerks. Für das Employer Branding werden Social Media dagegen immer wichtiger. Unternehmen, die sich auf Xing, Twitter oder Facebook präsentieren, geben interessierten Kandidaten die Möglichkeit, schon einmal ein wenig in die Firma hineinzuschauen. Das kann ihnen bei sehr gesuchten Kandidaten entscheidende Vorteile verschaffen.

Wie setzt Designerdock selbst Social Media ein?
Reuther: Wir sind in Facebook, Twitter und Xing aktiv und setzen RSS-Feeds ein. Auf diesen Kanälen posten wir für unsere Kunden und Kandidaten relevante Informationen wie Branchennachrichten, Stellenanzeigen, Tipps und Tricks zur Stellensuche etc. Ausserdem haben wir einen Newsletter, der regelmässig an Abonnenten verschickt wird.
Marion Willim: Was in Sachen Employer Branding in den Social Media passiert, ist höchst spannend. Es gibt bei Xing sogar Gruppen von ehemaligen Mitarbeitern bestimmter Agenturen. So etwas beobachten wir natürlich. Denn wir beraten unsere Kunden ja auch und geben ihnen zuweilen Tipps, wie sie sich besser nach aussen präsentieren können. Denn wenn Bewerber nicht zu einem Arbeitgeber wollen, kann das zum Beispiel daran liegen, dass eine Gruppe Ehemaliger im Netz aktiv ist, die im übersichtlichen Schweizer Markt schnell eine bestimmte Sichtweise auf diesen Arbeitgeber etabliert und sich darüber austauscht, wie die Arbeitsbedingungen bei diesem Arbeitgeber sind, wie er mit älteren Mitarbeitern umgeht etc. Wir können unseren Kunden auf solche Entwicklungen aufmerksam machen und ihn für die Möglichkeiten sensibilisieren, die Social Media bieten. Viele Unternehmen denken zum Beispiel, um ausscheidende Mitarbeiter müsse man sich nicht mehr kümmern. Aber es ist ein ganz wichtiger Zeitpunkt, wenn jemand geht. Denn jeder scheidende Mitarbeiter ist ein Botschafter des Unternehmens, was sich gerade in den Social Media unglaublich negativ, aber auch unglaublich positiv bemerkbar machen kann. Wir sprechen also nicht mehr von Personalrecruiting, sondern von Personalmarketing.

Für welche Unternehmen lohnt es sich, ihre Marke mit Blick auf Bewerber durch Aktivitäten in den Social Media zu schärfen?
Reuther: Generell schätzen Bewerber eine hohe Transparenz von Unternehmensseite. Darum würde ich das grundsätzlich jedem Unternehmen empfehlen – aber nur, wenn es das Personal dafür hat. Denn Twitter, Facebook und Co. sind sehr zeitaufwändig.
Willim: Ich finde, Social Media gehören in den Marketingabteilungen heute einfach dazu, wenigstens in grossen Unternehmen. Und so, wie sich dort jemand zu einem gewissen Prozentsatz um Social Media kümmert, sollte das auch in der Personalabteilung der Fall sein. Natürlich ist es immer eine Frage: Wer macht das? Es muss jemand sein, der nah am Unternehmen ist, nah an der Geschäftsleitung oder an der PR-Abteilung. Es muss eine wache Person sein, die sieht, wo sich etwas tut, und die ihre Beobachtungen ins Unternehmen zurückspielt. Denn Unternehmen müssen Social Media nicht unbedingt proaktiv bearbeiten – aber sie müssen drin sein und schauen, was passiert.

Wie siehts denn mit direktem Recruiting über Social Media aus? Auf Xing zum Beispiel bekommt man nach jedem Log-in neue Stellenvorschläge …
Willim: Hat schon einmal einer davon auf Sie gepasst? Bei mir noch nie. Social Media sind zwar sicher ein neuer Kanal fürs Recruiting, aber man merkt, ob eine Maschine dahintersteckt oder ein Mensch. Denn das «wer passt zu wem?» kann einem eine Maschine nicht abnehmen. Für diese Entscheidung gibt es zum Beispiel Designerdock oder – ebenfalls viel relevanter als automatisierte Stellenofferten auf Twitter oder Xing – Anfragen an Bekannte in den Social Media. Eine Kollegin via Facebook zu fragen, ob in ihrer Agentur ein Job frei ist, das kann funktionieren.
Maya Schneeberger: Social Media dienen der Informationsverbreitung, darum werden natürlich auch offene Jobs oder Neuigkeiten über Unternehmen gepostet. Das machen wir auf unserer Website ja auch, und so kann der erste Kontakt zustandekommen. Aber der zweite Schritt, die Personalvermittlung und das Zusammenführen von zwei Parteien, die gut zueinander passen, das passiert immer noch im persönlichen Kontakt. Die menschliche Komponente wird im Bewerbungsprozess auch weiterhin die wichtigste Rolle spielen, denn im Endeffekt ist alles Chemie. Designerdock hat den Vorteil, dass wir sowohl verschiedene Unternehmen, als auch unterschiedliche Bewerber miteinander vergleichen und so einfacher die passende Kombination finden können.
Reuther: Es gibt ein paar Agenturen, die inzwischen mit Videos auf ihrer Website Bewerber suchen. Das scheint mir ein ganz vielversprechender Weg zu sein. Da tritt der Personalchef oder der zuständige Ansprechpartner vor die Kamera, stellt sich und die Agentur kurz vor und beschreibt, was für eine Person sie suchen. So bekommt der Bewerber schon einmal ein Gefühl dafür, ob er zur Agentur und zu den Leuten dort passen würde. Letztendlich kann Designerdock dem Bewerber aber noch viele weitere wichtige Details über den Arbeitgeber erzählen, die seine Entscheidung beeinflussen könnten, zum Beispiel, wie das Betriebsklima ist, ob im Grossraumbüro gearbeitet wird oder Einzelbüros zur Verfügung stehen etc.

Bestehen Unterschiede zwischen den Berufsfeldern? Gibt es Bewerbergruppen, die besonders Social-Media-affin sind und Social Media auch für die Stellensuche nutzen, während andere eher konventionelle Wege gehen?
Schneeberger: Im Bereich Design und Gestaltung gibt es da keine grossen Unterschiede zwischen den einzelnen Tätigkeitsbereichen. Designer sind alle sehr Social-Media-affin und nutzen diesen Kanal auch für die Stellensuche.
Willim: Im Marketing und in der Werbung sieht es etwas anders aus. Manche sind sehr gut vernetzt und sehr aktiv in den Social Media, andere haben damit noch wenig am Hut. Das ist typenabhängig. Beispielsweise sind Personen, die sich in eigener Sache über Social Media gut verkaufen, meist auch gute, aktive Netzwerker. Das kann für mich ein Indiz sein, dass sich die Person gut für Verkauf, Akquise oder spezielle Aufgaben im Marketing eignet. Das hat übrigens überhaupt nichts mit dem Alter zu tun, auch ältere «Verkäufertypen» bewegen sich in den Social Media sehr sicher.

Kann man sich auf einem enger werdenden Arbeitsmarkt mit einer Social-Media-Bewerbung von Konkurrenten abheben – und empfiehlt sich ein solches Vorgehen?
Willim: Ich finde es toll, wenn mich ein Kandidat auf seine Website verweist und mir ein Passwort überreicht, mit dem ich in einen geschützten Bereich komme, in dem er mehr über sich erzählt. Das ist definitiv attraktiver, als nur ein Dossier abzugeben. Es gibt auch Kandidaten, die mir ihren Newsletter zuschicken. So bekomme ich einen Eindruck davon, wie die Person kommuniziert und ob sie etwas von der Materie versteht. Aber Achtung: Wer sich zu stark in Szene setzt, kann auch schnell einen verzweifelten Eindruck machen. Diese Gefahr besteht vor allem in der Schweiz, weil der Markt so klein ist und jeder alles mitbekommt. Ausserdem widerspricht eine allzu extrovertierte Selbstdarstellung der schweizerischen Mentalität. Nicht alles, was kreativ ist, ist angemessen. Mit einem «zu viel» kann man seinen Marktwert auch drücken. Das gilt genauso für Arbeitgeber: Wer zu dick aufträgt, verliert an Glaubwürdigkeit. Ich halte es da mit dem französischen Philosophen Blaise Pascal: «Willst Du, dass man Gutes von Dir sage, so sage es nicht selbst.»
Schneeberger: Wer sich im Designbereich bewirbt, muss Kreativität und Fachwissen nachweisen. Wenn ein Kandidat beispielsweise ein aktuelles Projekt präsentiert, ist es definitiv wichtig, dass er nicht nur seine Gestaltungsleistung aufzeigt, sondern auch belegt, dass er Twitter, Facebook und andere Soziale Medien in sein Konzept oder den Internetauftritt einbeziehen kann. Denn wir und unser Kunde wollen sehen, dass der Kandidat längst so weit denkt und weiss, wie man welchen Kanal einsetzen kann. Designer entwickeln ja neue Ideen oder schauen Bestehendes aus einem neuen Blickwinkel an. Und diese Fähigkeit kann man im Umgang mit Social Media wunderbar belegen.

Kann es sich ein hochkreativer Designer denn leisten, zu sagen: «Facebook ist ein Seich, das interessiert mich nicht!»?
Schneeberger: Das darf er schon sagen, aber uns interessiert dann natürlich, warum. Es ist ja auch immer die Frage, wie man diese Kanäle nutzt, ob privat, zur Lancierung von Produkten, als neue Werbeform, als Gestaltungsraum oder zur Selbst- oder Unternehmenspräsentation.
Reuther: Insbesondere bei Facebook muss man sehr aufpassen, wie man sich dort präsentiert. Facebook zu nutzen, ist gut – aber jeden Tag zu kommentieren, wie es der Katze geht, ist sicher nicht angesagt. Man muss einfach damit rechnen, dass der Auftritt irgendwann auch von zukünftigen Arbeitgebern angeschaut wird. Und das kann dann peinlich werden.

Klar, wenn Unternehmen von sich aus checken, ob die Leute, die sie einstellen wollen, einen Xing-, Facebook- oder Flickr-Account haben und wie es dort aussieht, kann es unangenehm werden. Aber deshalb kann man ja nicht alle seine Accounts löschen, bevor man sich irgendwo bewirbt. Oder doch?
Reuther: Grundsätzlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass alles, was im Netz ist, öffentlich ist. Es macht nichts, wenn der Bewerber gerne auf Partys geht und man das auch auf ein paar Bildern sieht – wenn es zur ausgeschriebenen Funktion passt, zum Beispiel wenn eine sehr kommunikative Persönlichkeit gesucht wird. Dennoch ist es im Zweifel besser, das eine oder andere Bild oder Einträge zu löschen. Man kann natürlich auch mehrere Accounts anlegen und den einen privat, den anderen geschäftlich nutzen. Aber man muss einfach damit rechnen, dass im Netz alles gefunden werden kann.
Willim: Wichtig ist, dass man zu dem steht, was man tut. So, wie man früher in kleinen Dörfern alles übereinander wusste, weiss man heute im globalen Dorf auch sehr viel voneinander – oder vielmehr: Leute meinen, anhand von Bildern und Äusserungen viel übereinander zu wissen, ohne einander wirklich zu kennen. Da kann es schnell zu Missverständnissen kommen. Verheerend. Man sollte darum nur das von sich preisgeben, was einem nicht irgendwann peinlich werden könnte und was nicht falsch verstanden werden kann. Im Zweifel ist Zurückhaltung besser.
Schneeberger: Übrigens gibt es auch bei uns in der Personalberatung den Fall, dass wir bei einem Kandidaten nicht ganz sicher sind, wie wir ihn einschätzen sollen, dass der Bauch meldet, dass irgendwas nicht stimmt. Dann kann es sein, dass wir im Internet, auf Xing, Facebook oder Twitter weiter recherchieren. Dann stellt sich schnell heraus, ob die Person vielleicht nicht ganz authentisch war, mehr vorgegeben hat zu sein, als sie ist – oder vielleicht auch etwas nicht erwähnt hat, was für die ausgeschriebene Position interessant sein könnte. Grundsätzlich gehen wir aber erst einmal mit Vertrauen auf unsere Kandidaten zu und erwarten diese Offenheit und Ehrlichkeit auch von ihnen. Und natürlich ist Vertraulichkeit für unser Geschäft sehr wichtig: Ich kann nicht einen Kandidaten auf Facebook anfrienden, denn das ist dann für alle Welt sichtbar.

Können es sich Unternehmen, die qualifiziertes, hochspezialisiertes Personal suchen, leisten, auf Social Media als Recruitingkanal zu verzichten?
Willim: Über welchen Kanal rekrutiert wird, ist nicht so entscheidend. Eher ist angesagt, Bewerbern gegenüber offener zu werden, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht hundertprozentig ins Profil passen. Das gilt insbesondere in angespannten Stellenmärkten. Gerade bei standardisierten Online-Bewerbungen fallen viele Bewerber, die eigentlich gut für eine Stelle qualifiziert wären und vielleicht noch spannende Zusatzkompetenzen mitbringen, sofort durchs Raster, weil ihnen beispielsweise ein bestimmter Abschluss fehlt oder sie ein Jahr jünger oder älter sind als vorgegeben. Designerdock schaut jeden Bewerber einzeln an. Deshalb finden wir oft Kandidaten, die perfekt auf eine Stelle passen und ihre Tätigkeit zusätzlich durch weitere Skills bereichern. Dieses Um-die-Ecke-Schauen kommt unseren Kunden sehr zugute. Auch für den Stellensuchenden gilt natürlich, seinen Fokus aufzuweiten und auch mal in eine Richtung zu denken, die ihm bisher noch nicht so vertraut war. Oft ergeben sich so ganz spannende, neue Herausforderungen.

Worauf müssen Bewerber achten, wenn sie via Social Media Kontakt zu einem potenziellen Arbeitgeber aufnehmen? Was sollten sie tun, was sollten sie lassen?
Reuther: Ich halte es für ganz wichtig, dass sich der Bewerber ins Gegenüber hineinversetzt. Es geht nicht nur darum, dass er los wird, wer er ist und was er will – er sollte auch herausfinden, wer das Gegenüber ist und was diese Person für Wünsche und Ansprüche hat. Wer ist die Person auf der anderen Seite? Dann findet der Bewerber viel einfacher Anknüpfungspunkte für eine Kontaktaufnahme, die auch dem potenziellen Arbeitgeber relevant erscheint.
Willim: Das grösste Problem aller Arbeitgeber, egal in welcher Branche, ist: Sie haben wenig Zeit. Der Bewerber muss sich also fragen, wie er Aufmerksamkeit generieren kann, ohne als Störfaktor wahrgenommen zu werden. Er sollte sich vor der ersten Kontaktaufnahme intensiv mit dem Unternehmen auseinandersetzen, sich informieren, was das Unternehmen bewegt, wie der Markt aussieht und mit welchen Herausforderungen die Firma zukünftig konfrontiert ist. Das geht wunderbar auch über Social Media.

Aber dass man sich eingehend über potenzielle Arbeitgeber informieren muss, damit man im Bewerbungsprozess auf Augenhöhe mit Unternehmensvertretern diskutieren kann, ist ja keine Regel, die erst jetzt im Social-Media-Zeitalter gilt …
Willim: Stimmt. Aber diese Regel muss jetzt noch stärker beachtet werden, denn durch Social Media geht alles viel schneller und direkter. Einmal können sich Fakten über Unternehmen von einem Tag auf den anderen verändern, und ich sollte bei meiner Kontaktaufnahme auf dem aktuellsten Stand sein. Ausserdem kann ich über Xing zum Beispiel den Marketingmanager der Firma XY direkt ansprechen, ohne den Umweg über die Personalabteilung zu nehmen. Wenn ich das mache, muss die Kontaktaufnahme sitzen. Eine weitere Regel für Bewerber ist: E-Mail ist die elektronische Form der Post. Sie muss genauso sauber und fehlerfrei formuliert sein wie ein Brief. Schnoddrigkeit ist fehl am Platz. Ausserdem sollte kein Kandidat davon ausgehen, dass ein potenzieller Arbeitgeber ihn von Anfang an spannend findet. Er sollte sich deshalb interessant machen, dabei unbedingt prägnant bleiben und auf den Punkt kommen, damit sein Gegenüber nicht zu viel Zeit investieren muss. Auch Authentizität ist wichtig. Wer sich das Anschreiben von einer redegewandten Freundin formulieren lässt, kann die Erwartungen, die er weckt, später vielleicht nicht erfüllen. Bleib darum lieber, wer du bist.

Schauen wir mal auf die Agenturen: Müssen sich die grossen, bekannten wie Euro RSCG oder Jung von Matt/Limmat in den Social Media profilieren, um gute Bewerber zu bekommen? Die kennt doch ohnehin jeder.
Schneeberger: Ja und nein. Diejenigen, die sich in der Branche bereits bewegen, kennen die grossen Agenturen natürlich. Die kennen auch die wichtigsten Arbeiten dieser Agenturen und deren Portfolio. Aber der junge, kreative Nachwuchs muss sich in der Branche erst einmal orientieren. Diese Leute wissen meist noch nicht, ob sie Werbung, Marketing, Online, CI/CD oder Corporate Publishing machen wollen, was sie können und wo sie hingehören. Solche Leute kommen zu Designerdock, suchen einen Job und wissen nicht, wie sie vorgehen sollen. Und um diese Klientel anzusprechen, ist eine Präsenz in den Social Media sehr sinnvoll. Wir erleben es im Übrigen auch, dass Agenturen einen neuen Bereich oder bestimmte Qualifikationen aufbauen, das aber gar nicht kommunizieren. Weil wir sehr guten Einblick in das Geschäft unserer Auftraggeber haben und uns auch als deren Berater sehen, weisen wir dann auch schon mal auf eine solche Kommunikationslücke hin oder liefern Ideen, wie man diese Information nach aussen transportieren könnte.
Reuther: Unsere Ideen können sich auch darauf beziehen, wie man einen akuten Fachkräftemangel beheben kann. Es gibt zum Beispiel sehr viele hervorragend qualifizierte Mütter, die einfach nicht 100 Prozent arbeiten können. Wenn sich nun zwei Frauen eine Stelle teilen, könnte das sowohl für die beiden Frauen als auch für den Arbeitgeber die perfekte Lösung sein – vor allem in Fällen, in denen unser Kunde eine der berühmten eierlegenden Woll-Milch-Säue sucht, die es nicht gibt.

Wie ist Ihre Prognose für die Zukunft: Werden Social Media bei der Stellensuche relevanter werden? Wird es irgendwann 140-Zeichen-Twitter-Bewerbungen oder ein Bewerber-Facebook ausschliesslich mit Bewerberprofilen geben?
Reuther: Gute Frage. Es gibt sicher viel Spielraum, um kreativ zu werden. Ich glaube, dass die Akzeptanz und Relevanz von Social Media als Arbeits- und Recruiting-Instrument in Unternehmen und Agenturen in Zukunft deutlich wachsen werden. Wir spüren, dass Kandidaten lieber zu einem Arbeitgeber gehen, der offen und lebendig kommuniziert, als zu einem, der sich bedeckt hält. Also wird es mittel- und langfristig in jedem Unternehmen eine Person geben müssen, die sich um Social Media kümmert, jedenfalls wenn es gute Leute für sich gewinnen will. Aber Social Media kann man nicht einfach «machen», weder als Unternehmen noch als Agentur noch als Stellensuchender. Wenn man sich dafür entscheidet, auf Facebook, Twitter etc. aktiv zu werden, muss man Zeit und Energie investieren. Auch als Unternehmen kann man Social Media nicht einfach einer Agentur übertragen – denn es ist wichtig, dass diejenigen, die die Kanäle speisen, nah am Unternehmen sind.
Schneeberger: Bestimmt wird es neue Formen der Bewerbung geben, denn Online und Interactive werden zweifellos in Zukunft noch wichtiger als heute. Aber neue Präsentationsformen in den Social Media werden den persönlichen Kontakt nie ersetzen. Wer auf Stellensuche ist, postet das vielleicht auf diversen Kanälen und bekommt auf diesem Weg auch Tipps oder sogar konkrete Offerten. Aber irgendwann braucht es Menschen, die einander begegnen und schauen, ob sie zusammenpassen. Stellenplattformen und Personalvermittler kanalisieren auch die wahnsinnige Informationsflut, die im Internet tagtäglich auf uns einströmt.
Willim: Was mit Social Media wunderbar gelingt, ist, grenzübergreifend oder gar weltumspannend nach Jobs zu suchen, sich in der Kennenlernphase miteinander auszutauschen, Reisekosten zu reduzieren und erst einmal auszutarieren, ob man grundsätzlich zueinander passen könnte. Distanzen verringern sich, aber das persönliche Kennenlernen ist trotzdem immer noch nötig. Denn das Fachliche ist ja nur die eine Seite. Wenn mir ein Mensch nicht sympathisch ist, kann oder will ich auch nicht mit ihm zusammenarbeiten, selbst wenn er hochqualifiziert ist.

Haben Filme auf YouTube als Bewerbung Zukunft?
Schneeberger: Das gibt es ja schon. Die Filme sind oft sehr kreativ gemacht, aber das ist natürlich Einwegkommunikation ohne Garantie auf eine Reaktion. Wenn wir aber von einem Designer einen kurzen Film zugeschickt oder freigeschaltet bekommen, in dem er sich prägnant und witzig in Szene setzt, kann ihm das schon Vorteile verschaffen. Das Video muss einfach zum gesamten Auftritt und zum Portfolio passen.
Willim: Man darf eines nicht vergessen: Der Zeitdruck in Unternehmen und Agenturen wird immer mehr zunehmen. Personaler haben keine Zeit, sich zu einem frühen Zeitpunkt im Auswahlprozess Videos von Kandidaten anzuschauen. Wenn der Bewerber einen gewissen Punkt im Prozess überschritten und bereits grosses Interesse geweckt hat, kann so etwas relevant und spannend werden. Aber sicher nicht für die erste Kontaktaufnahme.

Interview: Anne-Friederike Heinrich

In Kürze
Designerdock Zürich wurde 2007 von der Grafik-Designerin Beate Reuther gegründet. Sie leitet die Schweizer Filiale am Stauffacher. Seinen Ursprung hat Designerdock in Berlin, wo der Australier Alexander Dewhirst die Personalvermittlung 1996 gründete – eigentlich nur, um für einige Berliner Designbüros Top-Gestalter zu finden, daher der Name «Designerdock». Dewhirst merkte aber schnell, dass auch Texter, Berater, Werber und andere Kommunikations- und Marketingprofis händeringend gesucht wurden, und erweiterte seine Klientel. Inzwischen hat Designerdock Büros in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München, Stuttgart, Wien und Zürich. In der Zürcher Filiale arbeiten drei Personalberaterinnen und eine Team-Assistentin. Die beiden Grafik-Designerinnen Beate Reuther und Maya Schneeberger sind auf die Vermittlung im Designbereich spezialisiert, Marketingfachfrau Marion Willim kümmert sich um Marketing- und Kommunikationsspezialisten, Texter und Journalisten. Designerdock rekrutiert sowohl für Agenturen als auch für Unternehmen. www.designerdock.ch

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