Der Herr der Klicks

2007 brachte Daniel Hünebeck die Schweizer Filiale der deutschen Online-Marketing-Agentur Adisfaction nach Zürich. Er reüssierte mit Google-Adwords, intelligenten Bannern und cleveren Online-Marketingtools, die die Agentur teilweise selbst entwickelt hat. Schweizer Unternehmen schöpfen das Potenzial des Online-Marketings noch nicht aus – doch der Wind dreht.

Advertorials, Google-Adwords und Banner sind die Welt von Daniel Hünebeck (33) und seinem Mitarbeiter Alexander Tysl (28). Die Bank Vontobel und der Künzler-Bachmann-Verlag, der Flughafen Zürich und der Reiseanbieter FTI haben das bereits gemerkt und sich von Adisfaction wirksame Online-Werbetools aufbauen lassen. «Die Welt des Online-Marketings ist sehr komplex und entwickelt sich rasend schnell», sagt Hünebeck. «Man kann von der Marketingabteilung eines Kunden, die sich bereits um Print, TV, Radio, Point-of-Sale und Aussenwerbung kümmert, nicht erwarten, dass sie sich auch noch mit den diversen Marketinginstrumenten auskennt, die online einsetzbar sind. Wir führen unseren Kunden durch die Welt der Online-Werbung und finden genau die Werbeform, die zu ihm passt.» Selbst für eine reine Online-Agentur wie Adisfaction ist es zuweilen schwierig, den Überblick zu behalten. «Das schaffen wir, indem wir uns spezialisieren», erklärt Hünebeck. «Einer ist zuständig für E-Mail-Marketing, ein anderer für Mobile-Marketing, ein Dritter ist Experte für B2B- oder Performance-Marketing, für Social Media oder Monitoring.»
Schrauben am Erfolg
Viele Unternehmen wissen bereits genau, was sie wollen, wenn sie Adisfaction beauftragen. Das vereinfacht die Arbeit der Online-Marketer – jedenfalls auf den ers¬ten Blick. Hünebeck und Tysl schauen aber immer zweimal hin: «Es kommt vor, dass wir ein Banner entwickeln sollen, dann aber feststellen, dass das Unternehmen besser ein Advertorial schalten oder seinen Newsletter optimieren würde. Dann erarbeiten wir mit dem Kunden eine für seine Ziele optimale Strategie.» Andere Unternehmen schenken etwaigen Online-¬Aktivitäten jahrzehntelang keine besondere Beachtung. Und dann muss es auf einmal ganz schnell gehen: Hünebeck und Tysl haben schon des Öfteren binnen acht Stunden aus dem Nichts ein Advertorial oder ein Banner kreiert. «Das funktioniert allerdings nur, wenn Kunde und Provider ganz eng mit uns zusammenarbeiten», sagt Hünebeck. «Es ist ein schönes Gefühl, bereits am nächsten Tag das Ergebnis seiner Arbeit online zu sehen. Auch für unseren Kunden.»
Hünebeck versteht sich als Berater und Partner seiner Auftraggeber. «Eine enge Zusammenarbeit und ein vertrauensvoller Umgang mit unseren Kunden ist uns sehr wichtig», betont er. «Wir sind mehr als eine ausgelagerte Online-Marketingabteilung, die Kampagnen umsetzt. Denn wir haben den Blick für das Ganze und legen grossen Wert auf die Verzahnung der einzelnen Werbetools eines Unternehmens, wie beispielsweise Printkampagnen, Newsletter oder Banner. Gerade diskutieren wir mit einigen Kunden, wie man ihre erfolgreiche Printkampagne online ebenso wirksam gestalten kann.» Viele Massnahmen, die Adis¬faction umsetzt, erfordern nicht einmal eine Budgetaufstockung, zum Beispiel die Optimierung von Such¬maschinen oder Websites. Hünebeck: «Es gibt Kunden, die sich wundern, dass Kontaktanfragen über Werbung bei Google ausbleiben. Aber wer Kontakte generieren will, kann es nicht einfach bei der Verlinkung seiner Website belassen. Er muss beispielsweise seine Telefonnummer oder ein Kontaktformular prominent auf der Website platzieren. Oft reicht es, an kleinen Stellschrauben zu drehen, um viel zu bewirken.»
Auf Umwegen voran
Hünebeck wird 1976 in Ostdeutschland geboren und wächst im Ruhrgebiet auf. Nach der Schule macht er eine Ausbildung zum Bankkaufmann. «Die Lehre war extrem vertriebslastig», erzählt er. «Mir war schnell klar, dass ich diese ‹Fondsklopperei› nicht mein ganzes Leben lang machen würde.» Die Commerzbank gibt Hünebeck die Chance, ein ausbildungsbegleitendes BWL-Studium zu absolvieren. Diese Gelegenheit ergreift er beim Schopfe. Als Hünebeck mit Lehre und Studium fertig ist, befindet sich die New Economy gerade auf ihrem Höhepunkt. «Der neue Markt und die Börse interessierten mich sehr», erinnert er sich. «Also bewarb ich mich bei Wallstreet online als Produktentwickler.» Dort erlebt Hünebeck zweieinhalb lehrreiche Jahre: Am ers¬ten Arbeitstag sieht er das erste Mal in seinem Leben, in der ersten Woche lernt er HTML und schliesslich entwickelt er neue Rubriken, Tools und Werbekonzepte für die Internetsite. Parallel absolviert Hünebeck ein Informatikdiplom, denn er arbeitet viel mit Programmierern zusammen und will Einblick in ihre Arbeit gewinnen. Mittendrin ist Hünebeck auch, als die Internetblase platzt: «Ich war einer der letzten 150 Mitarbeiter, der bei Wallstreet online eingestellt wurde», berichtet er. «Dann ging die Mitarbeiterzahl Quartal für Quartal runter, bis wir nur noch zehn Leute waren. Ich habe alles mitgemacht, von ganz oben nach ganz unten.»
2003 ist Zeit für eine Pause. Hünebeck geht auf Reisen, sechs Monate durch Mittelamerika. Wieder daheim sucht er nach einem Job: «Online konnte, musste aber nicht unbedingt sein. Schliesslich wurde ich Consultant in einer Unternehmensberatung für Restrukturierung, denn ich hatte ja gerade live einen Restrukturierungsprozess miterlebt.» Die Erfahrung, als Mitarbeiter von Quartal zu Quartal auf das Niedersausen des Damoklesschwerts zu warten, nutzt Hünebeck, um Unternehmen und Angestellte zu unterstützen, wenn es abwärts geht. «Der Job war anstrengend, aber unheimlich spannend», erzählt er. «Ich hatte mit Banken, Kreditabteilungen und Unternehmen zu tun, vom CD-Produzenten über Betten- und Türenhersteller bis zum Fitnessstudio.» 2005 stellt sich die Frage nach dem nächsten beruflichen Schritt. Controller will Hünebeck nicht werden. Er macht ein Marketing- und PR-Praktikum bei MTV in New York. Hünebeck: «Das war die Richtung, nach der ich gesucht hatte. Es war cool, auf einmal in einem Unternehmen zu arbeiten, dass 20 Prozent Gewinn macht und alles in Gold verwandelt, was es anfasst. Da war mir klar: Ich will zurück in den Medienbereich.»
Ruf doch mal an
Hünebeck telefoniert mit Stefan Swertz, seinem früheren Chef und Mentor von Wallstreet online. Swertz hatte 2002 die Agentur Edynamix, die heutige Adisfaction AG, gegründet. Und sucht Mitarbeiter. Hünebeck steigt ein und startet am deutschen Firmensitz in Meerbusch als Mediaplaner. Ein knappes Jahr später beteiligt er sich, übernimmt die kaufmännische Leitung des Unternehmens und die Geschäftsführung der frischeröffneten Filiale in der Schweiz. Als ersten Kunden gewinnt er die Bank Vontobel. «Vor der Gründung der Schweizer Filiale haben wir eine ‹Tour de Suisse› gemacht und Schweizer Onlineprofis von Cash und Financial Media gefragt, ob sie einer Filiale von Adisfaction Chancen einräumen», sagt Hünebeck. «Alle sagten: ‹Eine Agentur mit Eurem Know-how brauchen wir hier›.» Diese Einschätzung hat sich bestätigt: Adisfaction Schweiz hat in den letzten drei Jahren über 30 Kunden von Rang und Namen gewonnen, zum Teil sind sie längst Stammkunden. Vor allem Banken gehören zu den Auftraggebern der Agentur, aber auch Tourismusunternehmen, E-Commerce- und B2B-Anbieter. «Uns ist wichtig, dass wir das Geschäft unserer Kunden verstehen, egal in welcher Branche sie agieren», betont Hünebeck. «Natürlich kostet es Zeit, sich in die Produkte und Dienstleistungen hineinzudenken. Aber der Erfolg ist dann umso grösser.»
Und wie sehen Hünebecks Pläne für Adisfaction Schweiz für die nächsten ein, zwei Jahre aus? In jedem Fall will er den Standort Schweiz weiter ausbauen: «Wachstum ja, aber nur organisch», betont Hünebeck. «Vor unserer Tür stehen ein paar neue Kunden, darum stellen wir im September einen neuen Mitarbeiter ein. Es ist allerdings nicht einfach, qualifizierte Bewerber zu finden. Der Schweiz fehlen Fachleute in diesem Metier.» Noch.
Anne-Friederike Wilhelm
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