Kopf der Woche: Getauscht

Gordon Nemitz macht seit August als neuer Planning Director bei Wirz die kreative Führung wieder komplett.

Dirty Dancing» bei der Arbeit ist nicht sein Stil. Gordon Nemitz meint damit das Bereichsdenken, wie es nicht nur im bekannten Film «Das ist mein Tanzbereich. Das ist deiner» ausgespielt wird, sondern auch in vielen Agenturen. In einem Klima «bis hier die Strategie – ab dort die Kreation» kann selten gute Werbung entstehen. Die Tradition, in der Nemitz lieber arbeitet, sieht den Strategen deshalb als einen «Creative Planner». Ein Denker an der Schnittstelle der verschiedensten Disziplinen, der im Prozess der Gestaltung «die kreativen Inspirationen» geben kann.
Gordon Nemitz startete 1996 in Siegen bei Köln mit einem integrierten Medienstudium. «Im Bereich Medien findet man sicher einen Job», war damals das Zeitgefühl. Nach anfänglichen Versuchen in der Welt der gedruckten Medien stellte er jedoch fest, «dass es nicht für die Süddeutsche reicht». Daher wagte er den Schritt in die Werbung und stieg in der deutschen Werbehochburg Hamburg als Praktikant bei Scholz & Friends ein. Nach fünf Monaten Ausbildung in der klassischen Beratung wurde Nemitz bereits zum Junior befördert, und statt sechs Monate gefiel es ihm mehr als ein Jahr bei Scholz & Friends. Trotzdem war Beratung noch nicht das Ziel seiner Träume. Bei einer kleinen, aber feinen Strategie-Agentur mit dem Namen &Equity wirkte die deutsche «Planning-Ikone» Dr. Cordula Krüger – und da wollte Nemitz hin. Die Agentur folgte dem Mission Statement «Empirische Präzision und strategische Inspiration» und war in ihrem Denken sehr psychologisch begründet. Für Nemitz wurde die Zeit bei &Equity schliesslich zur wichtigsten Planning-Schule. Trotz der faszinierenden Zeit in der Praxis hat Nemitz aber fleissig auch sein Studium voran getrieben und mit einer Diplomarbeit über «Konstruktivistische Identitätsbildung des Individuums im Kontext des Marketings» abgeschlossen. Etwas alltäglicher ausgedrückt geht es dabei um «Community-Building und -Marketing». Es war für Nemitz wichtig, immer zwischen der Praxis und der Uni zu pendeln. «Andere Kommilitonen haben bis Ende des Studiums nicht gewusst, wo sie mal arbeiten wollen, und nur die Pflicht-Praktika gemacht», argumentiert Nemitz, der sich in der Studienzeit beruflich «die Hörner schon so abgestossen» hat, da er wusste, wo er einmal hin will. Parallel zur Diplomarbeit in Köln hat er als eine weitere Diversifizierung auch noch in einer kleineren Agentur gearbeitet, die eher «im Bereich der Kommunikation im Raum anzusiedeln ist». Hier lernte Nemitz, wie man jenseits klassischer Wege Menschen für Marken und Themen begeistern kann.
2005 wechselte der diplomierte Medienwirt zurück in die «klassische» Strategie und wurde bei Jung von Matt ins Team von Karen Neumann aufgenommen. Die Zeit war intensiv – Nemitz erinnert sich an eine Aufgabe, für die er in vier Tagen 76 Stunden gearbeitet hat –, aber auch sehr lehrreich und erfolgreich. Nach zweieinhalb Jahren im «Durchlauferhitzer» Jung von Matt folgte ein entsprechend interessantes Angebot als Senior Strategic Planner bei TBWA in Düsseldorf.
An seiner Welt des Planning gefällt Nemitz, dass man wie beim Schach sein Wissen um die Regeln und Strategien in immer wieder neuen Konstellationen der Aufgabe einbringen kann. Nemitz will nichts mit Routine angehen. So war es für ihn «extrem spannend», bei Jung von Matt eine internationale Marketing-Strategie für Haushaltmaschinen von Bosch zu entwickeln. «Ein Job, der bei Kreativen nicht gerade viel Begeisterung auslöst», meint er. Ihm hat aber die Herausforderung gefallen, für die verschiedensten Länder zum Beispiel das Koch- und Ernährungsverhalten zu ergründen oder rund um die weltweit verschiedene «Psychologie des Waschens» zu recherchieren. Oder aber bei TBWA, wo es seine Aufgabe war, die Consumer-Electronics-Marke Medion von ihrer Aldi-Herkunft zu emanzipieren. Bei all diesen Aufgaben geht es für den Strategen darum, vor dem Input zur kreativen Arbeit zuerst einmal «sich einerseits ein tiefes Verständnis für die Marke im Wettbewerbsumfeld zu erarbeiten und andererseits auch immer die Bedürfnisse und Wünsche des Verbrauchers zu berücksichtigen».Wie die Verbraucher in der Schweiz ticken, ist dem neuen Planning Director bei Wirz nicht völlig unbekannt. So hat er bei Jung von Matt die Schweizer Marke Ricola strategisch betreut. Aber auch aus privaten Gründen hat er bereits in der Vergangenheit viel Zeit in der Schweiz verbracht.
Von Deutschland aus einmal ins Ausland zu wechseln, war bei Nemitz schon lange ein Plan. England, als die Heimat des Planning, wäre eine Option gewesen. Die Schweiz sei aber ebenso interessant, weil man in der feinsemantischen Strategie sehr viel auch mit der Sprache arbeitet. Wien hätte Nemitz weniger gelockt. «Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass der österreichische Markt ähnlich funktioniert wie Deutschland. In der Schweiz konnte man hingegen nicht einfach die Kommunikationsmassnahmen importieren. Dieses Neue reizt mich», meint Nemitz.
Weil die Verpflichtung bei Wirz «keine Übergangslösung» ist, hat sich Nemitz im Zürcher Seefeld bereits eine eigene Wohnung genommen. Das war ein glücklicher Tausch mit einem wegziehenden Werber.
Ein «fairer Tausch» ist die Anstellung von Gordon Nemitz auch für Geri Aebi. Simon Walter, der Vorgänger von Nemitz, wechselte im Frühling 2007 von Wirz zu TBWA Berlin. Jetzt kommt in der Rochade Gordon Nemitz von TBWA Düsseldorf nach Zürich. Der noch junge, aber bereits hoch gehandelte Planner macht das Director-Team bei Wirz wieder komplett, nachdem CEO Geri Aebi die Agentur über ein Jahr lang ohne Planning Director führen musste. Wobei strategisches Denken in dieser Zeit trotzdem garantiert war, wie Aebi im untenstehenden Interview erklären kann.
Am Tag, wo Nemitz sich mit Geri Aebi zu den abschliessenden Verhandlungen traf, präsentierte sich die Stadt von ihrer sonnigsten Seite. Beim Schlendern am See ist schliesslich bei Nemitz die Entscheidung gefallen. Auch das sei «ein Asset von Zürich gegen Düsseldorf»: Velofahren am Wasser. Nemitz, der früher nämlich als Velokurier jobbte, frönte bereits seinem Hobby und umkurvte den Zürichsee auf seinem Rennvelo in knapp zwei Stunden. «Das war ja noch relativ flach. Aber jetzt kommen die Bergetappen», meint er zu dieser Leistung. Und hält sich damit auch fit für einen weiteren Aufstieg bei Wirz.
Andreas Panzeri

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