Das Universum «Reto Meyer»

Reto Meyer gründete im Juni dieses Jahres Yellow. Die Agentur entstand durch die Fusion der Agenturen WS Kommunikation und BSSM. Wie es sich anfühlt, als Kunde der eigenen Agentur seine Marke zu entwickeln, warum Yellow keine hierarchische Struktur hat und welche Rolle Fasnacht in seinem Leben spielt, darüber hat die Werbewoche mit dem Basler gesprochen.

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Basel, Klybeck-Quartier, urban mit industriellem Charme, aufstrebend und lebendig. Das Erste, was auffällt, wenn man den neuen Standort der neuen Agentur Yellow besucht, ist der riesige Thomy-Schriftzug an der Fassade. «An der anderen Seite des Gebäudes hängt ein riesiger Plot einer Senftube, die wir aus der Werbung kennen», sagt Reto Meyer schmunzelnd. Dem Basler ist es wohl hier: draussen Backsteinmauern, Industrie-Nostalgie; drinnen viel Licht, viel Luft, wenig Wände. Eingezogen ist Yellow erst vor vier Monaten, davor existierte die Agentur noch nicht. Zumindest nicht in dieser Form. Auch wenn das Unternehmen noch ganz jung ist, kann es doch auf eine jahrzehntelange Geschichte zurückblicken. Entstanden ist es nämlich aus der WS Kommunikation, die seit den 1980er-Jahren besteht, und der BSSM Werbeagentur, die in den 1990ern gegründet wurde. Dass aus den beiden Yellow wurde, dafür ist Reto Meyer verantwortlich. «Es war ungewohnt und herausfordernd, sich von der eigenen Agentur bei der Markenentwicklung beraten zu lassen. Aber: Das Resultat überzeugt mich voll und ganz», sagt Meyer, lacht und lehnt sich zurück.

Der Weg zur «Yellow» sei spannend gewesen. «Die Nähe zu Dieter Meier und seiner Band ‹Yello› ist nicht ganz zufällig», erzählt der CEO. «Im Laufe des Markenprozesses haben wir die Charaktereigenschaften entwickelt, welche die zukünftige Agentur prägen sollen. Dabei sind avantgardistisch, kosmopolitisch, kreativ, erfolgreich und musisch entstanden. Eigenschaften, die aus meiner Sicht Dieter Meier verkörpert». Und das war die Brücke zu Yellow. «Gelb ist zudem die Farbe der Kommunikation, steht für Offenheit, Lebensfreude, Kreativität und Neugier. In der ersten Phase war Yellow tatsächlich gelb. «Einem Kollegen aus dem internationalen Agenturnetzwerk, dessen Schweizer Vertreter wir sind, war dies zu offensichtlich.» Und weil Yellow nicht das Naheliegende liefern will, wurde die Farbe hinterfragt. Nach kurzzeitiger Mehrfarbigkeit stiess man über die Eigenschaft «querdenken» auf die Komplementärfarbe von Gelb: Violett. «Die Farbe ist ja auch nicht ganz einfach: man liebt sie oder man hasst sie. Rot und Blau, Feuer und Wasser, Spannung. Branding ist aber nicht die Frage von Vorlieben, sondern richtet sich in logischer Konsequenz nach den Markenwerten», hält Meyer fest.

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In Basel und der Welt zu Hause

Mit Yellow hat er ambitionierte Ziele: «Wir gehören zu den Leading Swiss Agencies und den Anspruch wollen wir auch erfüllen. Jedoch vielmehr in Sachen Kreativität und Qualität und weniger punkto Grösse.» Yellow habe ein reichhaltiges Kundenportefeuille, es dürften aber noch ein paar dazukommen. Sein Team sei hoch motiviert und freue sich auf neue spannende Gelegenheiten, sein Potenzial unter Beweis zu stellen. Seine Power hat Yellow in der Kreation gerade mit der erfahrenen Konzepterin Marietta Albinus verstärkt. Auch der Bereich Digital soll bald personellen Zuwachs bekommen. «Wir wollen aber keine Digitalagentur werden», hält Meyer fest, «sondern eine strategische Kreativagentur bleiben, die das ganze Paket anbieten kann.» Und das nicht nur regional: «Wir sind in Basel zu Hause und finden unseren Standort toll, wir sind aber klar national ausgerichtet und können über unser Netzwerk auch internationale Mandate betreuen.»

Vom Werbeassistenten zum CEO

Werbung hat den CEO bereits in ganz jungen Jahren begeistert: «Meinen Eltern zufolge habe ich als Kind viel und gerne Werbung geschaut. Ich habe mir ein Spiel daraus gemacht, anhand der Spots möglichst schnell die Marke zu erraten. Man kann schon sagen: Die ganze Medien- und Kommunikationsbranche hat mich von klein auf fasziniert», erzählt Reto Meyer. Nach der Wirtschaftsmatura entschied er sich gegen ein Studium und lernte «Werbeassistent» in Biel. «Hoppla, daran merkt man, dass man langsam älter wird, heute heisst das ja ganz anders», sagt er lachend, streicht sich die Haare glatt. Nachdem er sich die ersten Sporen bei cR Basel verdient hatte, wollte er doch noch an die Uni. Erst recht, weil erstmals in Zürich Publizistik im Hauptfach studiert werden konnte. «Das hat mich wirklich gereizt und so begann ich mein Studium mit den Nebenfächern BWL und Staatsrecht. Eine gute Kombination, denn die Publizistik war schon sehr theoretisch.»

Nach dem Studium, das war um die Jahrtausendwende herum, bekam der Studienabgänger einen «super interessanten, aber auch super chaotischen» Job. «Ich arbeitete beim italienischen Internet-Provider Tiscali als Kommunikationsleiter und Mediensprecher. Das war ein Sprung ins kalte Haifischbecken, ich musste sehr schnell schwimmen lernen», erinnert sich Meyer lebhaft. Nach diesem lehrreichen Ausflug ging er als Berater zurück in die Werbung. Zu Schneider Berthoud, dem Vorläufer der BSSM. Das Angebot Geschäftsführer von WS Kommunikation zu werden, lockte ihn und so gab er den Beraterposten bei BSSM wieder auf. «Ich hatte Lust, die Agentur weiterzuentwickeln, Neues auszuprobieren. WS wurde mein Baby, zwölf Jahre lang arbeitete ich in und für diese Agentur.» Vor zwei Jahren sei dann der Kontakt zur BSSM entstanden. Deren Inhaber Urs Schneider und Hannes Müller waren auf der Suche nach einer Nachfolgelösung. «Damit konnte ich kurz hintereinander beide Agenturen übernehmen und zu Yellow fusionieren», schliesst Meyer die Vorgeschichte seiner neuen Agentur und ergänzt: «Anstrengende Monate waren das, aber lohnend, und die Work-­Life-Balance stimmt wieder».

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Hip-Hop und Fasnacht

Die Interessen des Agenturchefs sind über sein neues «Baby» hinaus vielfältig. «Ich bin ein sehr geselliger und genussorientierter Mensch. Aber auch Sport ist mir wichtig, 27 Jahre lang spielte ich Badminton auf solidem Niveau, jetzt treibe ich eher Ausdauersport, um den Kopf freizubekommen», sagt der Basler. Und als echter Basler hat er noch ein ganz Basel-typisches Hobby – oder doch mehr eine Passion? «Ich bin Fasnächtler und trommle seit ganz jungen Jahren. Mittlerweile bin ich in einer der grössten Cliquen in Basel, bin dort im Vorstand als Vize-Präsident aktiv.» Die Fasnacht nimmt über das ganze Jahr hinweg einigen Raum in Meyers Leben ein, denn: Nach der Fasnacht ist vor der Fasnacht. Bei der Fasnacht sehe er durchaus Parallelen zu seiner Arbeit, denn sie sei auch eine «Kommunikationsaufgabe», das jeweilige Sujet müsse über die verschiedenen Kanäle, von den Kostümen über die Laterne bis zu den Zetteln, stimmig ausgespielt werden.

Auch in einem ganz anderen musikalischen Bereich ist Reto Meyer zu Hause: «Als 16-Jähriger habe ich angefangen aufzulegen und hatte als Turntablist – jaja, mit Scratching und so – viele Auftritte», erzählt er lachend. Als Vize-Schweizer-Meister nahm er mit 18 Jahren an der Europameisterschaft in Amsterdam teil. «Ich habe mich aus Vernunftgründen gegen eine DJ-Karriere entschieden. Das Potenzial, mehr daraus zu machen, war damals, 1991, noch nicht sehr gross», erzählt Reto Meyer. Bereut habe er seine Entscheidung gegen eine «Profikarriere» nie und als DJ im Nebenverdienst hätte er seine Leidenschaft auch so ausleben können. Und tut das bis heute: «Ich lege nicht mehr viel auf und auch keinen Hip-Hop mehr, sondern elektronische Musik, aber ich mach das immer noch gerne. Auflegen bleibt ein Teil von mir.» Ein Teil, der auch in der Agentur sichtbar ist: Dort steht an prominenter Stelle ein DJ-Pult. «Klar ist das auch ein Gag, aber sicher nicht nur Deko», sagt Meyer mit einem Lächeln. Zum Universum «Reto Meyer» gehöre noch eine Menge mehr. Zum Beispiel die Begeisterung für Kunst und Design. «Meine Frau ist im Kunstbereich tätig, wir sind beide sehr kunstaffin und sitzen hier mit der Art Basel ja sozusagen an der Quelle, das ist schon toll», schwärmt der Vater von zwei Töchtern, die für viel Abwechslung und Freude in seinem Leben sorgen.

Rollen, keine Hierarchien

Wie wichtig Reto Meyer eine offene, transparente und moderne Arbeitskultur in seiner Agentur ist, zeigt sich nicht nur in deren Einrichtung. Viel mehr noch tritt sie in deren neuer Organisationsstruktur zutage. «Ich habe mich in den vergangenen Monaten intensiv mit Organisationsformen von Unternehmen auseinandergesetzt, weil ich gerne weg von den ‹klassischen› – gibt es die überhaupt? — Strukturen wollte.» Seit einigen Wochen wird bei Yellow in rollenbasierten Teams gearbeitet. Je nach Anforderungen des jeweiligen Projektes werden Teams gebildet, in denen jedes Mitglied eine bestimmte oder auch mehrere Rollen übernimmt und die ihre Entscheidungen autonom treffen. «Mich entlastet dieses System sehr, ich habe mehr Freiraum für andere Aufgaben. Ausserdem sind wir so schneller, können unsere Power und unser Potenzial optimal entfalten», freut sich Meyer über die neue Organisationsform. Die funktioniere dank klar definierten Regeln sehr gut. «Zentral ist bei dieser Art der Organisation, dass jedes Team mit den benötigten Talenten ausgestattet und jedes Teammitglied jederzeit über den Verlauf des Projekts informiert ist», erklärt der CEO, der diese Rolle für sich ganz klassisch auffasst und daraus seine Aufgaben definiert: «Die Entwicklung der Kreativagentur ist meine Aufgabe, dafür muss ich rausgehen können, unter Leute, erzählen, was bei Yellow den Unterschied ausmacht. Das entspricht meinen Talenten. Und was gibt es Besseres, als wenn man seine Stärken zum Wohl des Ganzen einsetzen kann?»

Text: Nora Dämpfle, Fotos: Derek Li Wan Po

Dieser Artikel stammt aus der Werbewoche 16/2018. In der Rubrik «Kopf der Woche» werden prägende Köpfe der Schweizer Kommunikations- und Medienbranche porträtiert.

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