«Native Advertising – ein Komplott der Unlauterkeit»

Dominik Imseng, Texter und Konzepter bei Matter Gretener Lesch, verrät in unseren «13 Fragen» nicht nur, wieso er Native Advertising abscheulich findet, sondern auch, wieso die Ferienregion Graubünden gute Werbung nötig hat.

Dominik_Imseng_by_Jonas_Kuhn

1. Wären Sie nicht Werber geworden, was dann?
Journalist. Zum Glück musste ich mich nicht entscheiden. Ich bin Werber geworden und Journalist geblieben.

2. Was hat Sie inspiriert, in die Werbebranche einzusteigen?
Das war das Buch, das Weber Hodel Schmid 1997 zur Lancierung des Smart gemacht hat. Meine erste Aufgabe war dann, einen Coupon zu texten. Ich bin trotzdem am nächsten Tag wiedergekommen.

3. Nennen Sie uns eine Kampagne, die Ihnen in letzter Zeit positiv aufgefallen ist, aber nicht von Ihnen stammt.
«The Great Escape» von Jung von Matt/Limmat für Graubünden Ferien (Link). Auf einem ePanel lud ein urchiger Bündner Passanten live dazu ein, das Bergdorf Vrin zu besuchen. Als Walliser muss ich dazu sagen, dass eine Ferienregion mit gerade mal einem Viertausender aber auch wirklich gute Werbung braucht.

4. Welche Werbeform finden Sie abscheulich?
Native Advertising. Die Idee dahinter: Menschen sollen Werbung nicht mehr ignorieren können, weil sie diese gar nicht mehr als Werbung wahrnehmen. Man könnte von einem Komplott der Unlauterkeit sprechen – geschmiedet von den Auftraggebern von Native Ads und den Medien, die sie zulassen. Eines kreativen Werbers ist Native Advertising unwürdig.

5. Glauben Sie, dass Sie das Salär verdienen, das Sie verdienen?
Im Verhältnis zu meinen Kolleginnen und Kollegen in der Werbung: Ja. Im Verhältnis zu 90 Prozent der Menschheit: Nein. Da verdiene ich zuviel.

6. Gab es in Ihrem Leben einen Moment, als Sie dachten: Wow. Das ist super. Und es ist von mir!
Ja. Das war, als ich zum ersten Mal mein Buch über die berühmte VW-Anzeige «Think small» in den Händen hielt. Das ist jetzt unbescheiden und schamloses Marketing. Aber ein Werber darf das.

7. Welche Rolle spielen Awards in der Werbebranche?
Eine zu grosse. Der britische Werbegott Dave Trott, mit dem ich mich kürzlich unterhalten durfte, meinte dazu: «Werbefestivals verhindern Kreativität. Man macht nicht mehr Werbung für sechs Millionen Menschen auf der Strasse. Sondern für zehn Personen in der Jury.»

8. Wofür möchten Sie am liebsten werben?
Für Ferien im Iran. Kein Witz. Ich habe das Land vor einem Jahr mit meiner Familie bereist. Unser letzter Urlaub in Italien war gefährlicher.

9. Können Sie uns ein kleines Geheimnis verraten?
Ich schreibe an einem zweiten Buch über die VW-Werbung der 1960er-Jahre. Das Vorwort wird Amir Kassaei beisteuern, der weltweite Kreativchef von DDB, und die Einleitung kommt vom früheren Volkswagen-CEO Carl H. Hahn, der die Kampagne als junger Mann in Auftrag gegeben hat. Ich hoffe, ich erweise mich dieser doppelten Ehre würdig.

10. Welchen Berufskollegen würden Sie mit auf die einsame Insel nehmen?
Ein Texter braucht einen Art Director. Darum also meinen Freund Bruce Roberts. Da fällt mir ein: Meine Frau war früher Beraterin. Dem Haussegen zuliebe sollte ich also besser sie mitnehmen.

11. Was nervt Sie an der hiesigen Werbebranche?
Fast alles und fast alle. Aber das ist sicher nur der Menschenfeind in mir.

12. Schon mal überlegt, die Werbebranche zu verlassen?
Hoffentlich! Ich müsste sonst an meiner geistigen Gesundheit zweifeln. In welche Richtung es dann gehen würde? Am ehesten wohl in die eines kleinen, feinen Buchverlags. Also von der einen serbelnden Branche in die nächste.

13. Was möchten Sie nie über sich hören müssen?
«Der kann nicht schreiben.»

Dominik Imseng arbeitet seit bald zehn Jahren für die Zürcher Agentur Matter Gretener Lesch. Dort textet er für Kunden wie Motorex, Rega, Zoo Zürich oder Saas-Fee/Saastal Tourismus. Der Vater von zwei Söhnen ist Prüfungsexperte für den Eidgenössischen Fachausweis Texterin und Texter und schreibt regelmässig in der NZZ am Sonntag. 2011 erschien von ihm das werbegeschichtliche Buch «Think small. The story of the world’s greatest ad». Sein neuestes Projekt ist der Video-Blog «Dominik Imseng beneidet». Dafür interviewte er zuletzt den bekannten Journalisten Constantin Seibt. Dominikimseng.com

Die «13 Fragen» erscheinen sowohl Online wie auch in der Printausgabe der Werbewoche und richteten sich bisher an:

Simone Fluri
Serge Riedener
Frederick Rossmann
Thomas Bolliger
Fréderic Renzen
Benno Maggi
Florian Beck
Moritz Adler
Christoph Balsiger
Chris Morgan
Johannes Raggio
Peter van der Touw
Timo Wäschle
Diana Wick Rossi
Michael Hählen

Michael Hinderling

Gabriel Peisker

Regula Bührer Fecker

Markus Ruf

Daniel Meier
Kurt Wettstein
Thom Pfister
Gilles Aeby
Hanspeter Schweizer
Peter Frey
René Eugster
Reto Vogler
Bernhard Herzig
Roman Probst
Reinhold Weber
Markus Gut
Nadine Borter
Stephan Oehen
Thomas Wildberger

Umsetzung 13 Fragen: Thomas Häusermann

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