Micropayment: Warum Medien online auch Einzelinhalte verkaufen sollten

Verlage entscheiden online oft zwischen Abo, Einzelartikelkauf und Reichweitenmodellen statt alle Tools einzusetzen. Eine One-Size-fits-all-Lösung für Bezahlmodelle im Online-Journalismus ist allerdings ein Mythos.

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Nutzer wollen die Wahl haben, welche Medieninhalte sie konsumieren und wie sie diese konsumieren. Das wurde lang vermutet und im Februar 2017 auch durch eine Studie des American Press Institute bewiesen. Lässt man Usern die Wahl, passen sie ihren Medienkonsum immer wieder aktuellen Bedürfnissen an. Wenn zum Beispiel in einer Grossstadt am Nahverkehr gebaut wird, werden die Bewohner verstärkt Nachrichten zum Baustand und den Sperrungen nachfragen. Einstufige Bezahlmodelle für Content im Internet entsprechen diesen Nutzerbedürfnissen nie vollständig – unabhängig davon, ob es sich um Abos oder ausschliesslich Micropayment handelt.

Allerdings, so zeigt dieselbe Studie, werden Userbedürfnisse trotzdem meist nicht berücksichtigt. 85 Prozent der Publisher befragen einander, wenn es um die Einführung von Bezahlmodellen geht – nicht etwa die User oder den Markt. Damit vernachlässigen sie eine fundamentale Wahrheit der Wirtschaft: Wenn sich die Angebotsseite sich auf ein Absatzmodell einigt, ohne die Nachfrageseite nach ihren Bedürfnissen zu fragen, dann entwickelt sie am Markt vorbei. Im Falle der Medien bedeutet das: Die Nachfrageseite wünscht sich mehrstufige Bezahl- und Konsumoptionen, die Angebotsseite liefert One-size-fits-all. Sie destilliert das Geschäftsmodell «Inhalt gegen Geld» auf eine einzige Absatzform.

Die Nachfrageseite wünscht sich mehrstufige Bezahl- und Konsumoptionen, die Angebotsseite liefert One-size-fits-all.

Dabei handelt es sich meist um das Abo, eine Verkaufsform, mit der man online einen Grossteil der Leser verliert. Aber auch Micropayment, sprich der Verkauf von einzelnen Artikel für kleine Beträge, ist allein noch kein Geschäftsmodell. Es ist vielmehr eines von mehreren Tools im Werkzeugkasten der Content-Monetarisierung und der Kundenbindung. Micropayment kann die Speerspitze der Content-Monetarisierung sein. Denn das Zahlmodell durchbricht den Widerstand, der bei der Registrierung und Vorab-Zahlung aufkommt. Micropayment schafft die Basis für das nutzerorientierte Geschäftsmodell «Content gegen Geld» mit dem Motto: Gebt den Usern den Content, den sie wollen, auf die Art und Weise, wie sie ihn wollen, und sie werden gern dafür zahlen.

Früher gab es das Abo und den Kioskverkauf

Blickt man ein paar Jahrzehnte zurück, waren Inhalte im Medium Print an das Gesamtwerk gebunden. Eine Zeitung zu kaufen war einer von wenigen Wegen, an tagesaktuelle politische und wirtschaftliche Informationen zu gelangen, neben Radio- und TV-Berichterstattung. Offline gab es für das Geschäftsmodell «Content gegen Geld» – natürlich quersubventioniert durch Werbung – zwei Verkaufswege, die das Sales-Team eines Verlags in seinem Werkzeugkasten hatte: das Abonnement und den Kioskverkauf. Der Leser konnte zwischen einem Laufzeitvertrag mit Rabatt oder dem flexibleren Einzelheftkauf wählen – je nachdem, wie regelmässig er ein Medium nutzen wollte. Schon damals war ein einzelnes Absatzmodell nur in wenigen Ausnahmen allheilbringend. In der heutigen Online-Medienlandschaft ist die Annahme geradezu utopisch.

Online gibt es, bedingt durch die technische Entkopplung der einzelnen Contentstücke von dem Gesamtwerk Zeitung, weitere Optionen. Micropayment ist solch eine Option. Aber eben nur als Absatzweg, der sich für nur eine Lesergruppe perfekt eignet. Gelegenheitsleser beispielsweise wollen kleine Einheiten konsumieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Gelegenheitsleser für ein Abo entscheidet, dürfte etwa so hoch sein wie die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Tinder-Nutzer beim ersten Date verloben.

Andere Gruppen wie die Anlassgetriebenen, die bei einem spannenden Thema viele Beiträge in kurzer Zeit lesen wollen, oder loyale User, wünschen sich verschiedene Flatratemodelle, zum Beispiel den Zeitpass oder das Abo. Das Tolle daran: Das Internet ermöglicht es Medien, all diesen Zielgruppen genau das zu geben, was sie wünschen, so, wie sie es wünschen. Es ermöglicht, User ans Bezahlen heranzuführen und für weitere Monetarisierungsmodelle vorzubereiten. Und dafür ist Micropayment als Tool für den Verkauf unabdingbar.

Micropayment als Tool der Kundenqualifizierung

Während Abonnements in Verlagen als Inbegriff der Kundenbindung gelten (und zwar wortwörtlich, denn Leser und Medium binden sich vertraglich über einen längeren Zeitraum aneinander), lässt sich Micropayment auch als Tool für die Kundenqualifizierung betrachten. Anbieter von Abonnement-Modellen erreichen früher oder später eine Sättigungsgrenze, ab der die Kundenentwicklung stark stagniert. Erreichen sie dieses Plateau, müssen sie sich konkrete Massnahmen überlegen um weitere User zu Kunden zu wandeln und ihre Umsätze so zu steigern. Micropayments und kleinere Paid-Content-Bündel wie Zeit- oder Themenpässe eignen sich bestens, um einerseits Zusatzeinnahmen zu generieren und andererseits mehr User für das Abo-Geschäft zu gewinnen.

Micropayment vermittelt Nutzergruppen zunächst den Wert und die Qualität eines Inhalts, bevor es sie in ein Kurz- oder Langzeit-Commitment führt. Auch hier gibt es bereits vertraute Pendants aus dem Printbereich, wie Promotionen oder den Einzelheftkauf. Online kommt mit Micropayment nur noch eine weitere Möglichkeit der Customer Acquisition hinzu.

Anbieter generieren Zusatzeinnahmen, indem sie Nutzergruppen aktivieren, die an der Abo-Paywall abgeprallt wären.

Für Anbieter macht Micropayment den Zugang zu Einzelinhalten wirtschaftlich, wenn man die Beträge zu einer grösseren Zahlung aggregiert. Anbieter generieren Zusatzeinnahmen, indem sie Nutzergruppen aktivieren, die an der Abo-Paywall abgeprallt wären. Nicht zuletzt rekrutiert Micropayment User für die heilige Kuh Abo und erweitert das Abo um nutzerfreundliche Einstiegsmodelle für Paid-Content. Man könnte sagen: Der Verkauf von Einzelinhalten über Micropayment ist der beste Abo-Generator. Heute funktioniert weniger denn je ein einziges Bezahlmodell für alle. Deshalb braucht das Abonnement als Modell zur Monetarisierung der loyalen Userschaft andere Tools wie Micropayments an seiner Seite, um weitere Einnahmen und Kunden zu generieren.

Bei dem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag von Cosmin Ene, Gründer und Geschäftsführer von Laterpay.

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