Presserat heisst Beschwerde gegen Blick teilweise gut, gegen Blick am Abend nicht

Wie viele Angaben über eine Person, über die man nicht identifizierend berichten darf, sind in einem Artikel zulässig? Dieser Frage ging der Presserat im Zusammenhang mit dem Blick nach. Und erinnert daran: Ob ein Urteil rechtskräftig ist oder nicht, ist zwingend anzugeben. Eine Beschwerde gegen den Blick am Abend wurde abgewiesen.

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Die Frage und die Feststellung ergaben sich aus einer Beschwerde beim Schweizer Presserat über die Berichterstattung zum Filmer X. Blick hatte berichtet, X. müsse vor Gericht erscheinen, weil ihm vorgeworfen werde, er habe ein Kind vergewaltigt und sexuell genötigt. In einem ersten Artikel berichtete «Blick» über die Vorwürfe und beschrieb X. als bekannte Figur der Schweizer Filmszene.

Blick nannte den Vornamen und den ersten Buchstaben des Nachnamens, das Alter, die Herkunftsregion, die jetzige Wohnregion und einige Facts aus dem Filmschaffen von X. Dazu publizierte die Zeitung ein Bild von X., bei dem ein Balken die Gesichtspartie abdeckte. Die Angaben ermöglichen in der Summe die Identifizierung von X. Da dafür kein öffentliches Interesse bestand, befand der Presserat, dass «Blick» die Richtlinie 7.2 (Identifizierung) verletzte. Später berichtete das Blatt über das Urteil gegen X. Dabei wies Blick nicht darauf hin, dass das Urteil nicht rechtskräftig ist. Dieser Hinweis war jedoch zwingend. Blick hat daher laut Presserat auch die Richtlinie 7.4 zur Unschuldsvermutung verletzt.

Spekulation über sexuelle Orientierung ist nicht diskriminierend

Gleichzeitig hat der Presserat eine Beschwerde gegen den Blick am Abend abgelehnt. «Mindestens drei Schwule», so betitelte die Zeitung letztes Jahr einen Beitrag zur TV-Dating-Sendung «Bachelorette». Kandidaten wurden mit Vorname, Alter und Beruf, persönlichen Eigenschaften oder Tätigkeiten vorgestellt, drei davon auch mit Bild. Über diese drei äusserte die Dragqueen «Gossipa» die Vermutung, sie könnten homosexuell sein. Das lasse sich aus der Körperhaltung, Kleidung, Piercing oder Tattoos schliessen. «Kein Hetero-Mann steckt seine Hände so in die Hose», lautete eine der wenig tiefgründigen Analysen.

Gegen solche Zuschreibungen legte ein Leser beim Presserat Beschwerde ein. Es sei grundsätzlich problematisch, über die sexuelle Orientierung von Menschen zu spekulieren. Der Artikel verletze das Diskriminierungsverbot und zementiere ein «heteronormatives Bild». Blick am Abend nahm keine Stellung, da die Beschwerde anonym vorgebracht wurde. Der Presserat billigte dem ihm namentlich bekannten Beschwerdeführer jedoch schützenswerte Gründe dafür zu.

Der Presserat sah im Artikel keine journalistischen Pflichten verletzt. Zwar besteht er im Wesentlichen nur aus einer Aufzählung billiger Klischees. Homosexualität wird jedoch nicht abwertend dargestellt. Der vom Beschwerdeführer ebenfalls kritisierte Begriff «Freak-Show» ist zwar aus medienethischer Sicht problematisch. Er bezog sich aber auf das gesamte Kandidatenfeld und nicht auf eine bestimmte Gruppe. (pd/red)

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