Viele Medienlobbyisten im neuen Bundesparlament

Von den 246 neugewählten Bundesparlamentariern sind mindestens 38 Nationalräte und 8 Ständeräte beruflich oder anderweitig im Medien- und Kommunikationsbereich tätig. CVP-Ständerat Filippo Lombardi hält eindeutig am meisten Branchenmandate.

Mit zwölf Personen sehr gut vertreten sind die Verleger: Zu ihnen zählt Filippo Nationalrat Leutenegger (FDP, ZH), der nicht nur einen eigenen Verlag (Hausmagazin) führt, sondern sich neuerdings auch als Sanierer der Basler Zeitung Medien versucht. CVP-Ständerat Filippo Lombardi vertritt als VR-Delegierter der Timedia-Holding die Interessen von gleich zwei der drei Tessiner Tageszeitungen. Urs Schwaller, sein fribourgischer Parteikollege im Stöckli, steht gar für drei Zeitungen ein – ist er doch VR-Mitglied sowohl beim Quotidien Jurassien als auch bei der Imprimerie St-Paul, die La Liberté und die Freiburger Nachrichten druckt. Umgekehrt ist die kleine, rechtsgerichtete Schweizerzeit Verlags AG sogar doppelt im Nationalrat vertreten – mit den VR-Mitgliedern Hans Fehr (SVP, ZH) und Lukas Reimann (SVP, SG). Auch Nationalratspräsident und Fast-Bundesrat Hansjörg Walter (SVP, TG) kennt sich im Verlagsgeschäft aus, denn als Verwaltungsrat der Druckerei Flawil AG ist er Mitherausgeber der Wiler Zeitung, diverser Wochenzeitungen und der Zeitschrift Moto Sport Schweiz. Ähnlich Ratskollegin Corina Eichenberger-Walther (FDP, AG): Sie präsidiert den Verwaltungsrat des Zofinger Tagblatts. Auch drei SP-Nationalräte sind in Verlagen aktiv: So ist Hans-Jürg Fehr (SH) Verleger der Schaffhauser AZ, Andreas Gross (ZH) ist Geschäftsleitungsmitglied eines kleinen Buchverlages in St. Ursanne, und Beat Jans (BS) ist Vorstandsmitglied beim Verein Strassenmagazin Surpise. CVP-Ständerätin Brigitte Häberli-Lolle (TG) wirkt zudem im Vorstand einer Genossenschaft mit, die das Frauenfelder Pfarreiblatt Forum Kirche herausgibt. Und nicht zu vergessen: Auch der Zürcher SVP-Nationalrat Christoph Blocher hat(te) immer wieder verlegerische Interessen – sei es beim Bündner Tagblatt, sei es bei der Basler Zeitung.

Privatsender sind breiter abgestützt als die SRG

Eine starke Lobby haben auch die lokalen Radio- und TV-Stationen: So vertritt Lombardi auch Radio 3iii und TeleTicino im Bundesparlament. Als Präsident des Lokalfernsehverbandes Telesuisse lobbyiert er aber auch für die ganze Privat-TV-Branche und als Stiftungsrat der Stiftung Mediapulse auch für deren Nutzungsforschung. Im Nationalrat ist mit Yannick Buttet (CVP, VS) ferner ein VR-Mitglied von Radio Chablais, mit Maximilian Reimann (SVP, AG) ein Mitbegründer von Radio Argovia und Tele M1. Die Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP, ZH) ist VR-Mitglied von Radio Zürisee, Christine Bulliard-Marbach (CVP, FR) ist Verwaltungsrätin bei Radio Freiburg, und ihre Ratskollegin Viola Amherd (CVP, VS) sitzt im Vorstand des Trägervereins des Walliser TVs Canal 9. Gleich zwei Nationalräte kann das kleine Tele D (Diessenhofen) stellen – mit den Stiftungsräten Peter Spuhler (SVP, TG) und Hans-Jürg Fehr (SP, SH). Auch Radio 105 hat eine Stimme im Nationalrat – via Cédric Wermuth (SP, AG), der beim Jugendsender im Programmbeirat ist. Zu erwähnen ist noch Ruedi Noser (FDP, ZH), der zu 20 Prozent an der ZH-Medien GmbH des früheren ZüriPlus-Betreibers Peter Steinmann beteiligt ist.

Weniger komfortabel vertreten ist die SRG: Im Nationalrat sind zwar mit Maximilian Reimann (SVP, AG) und Walter Wobmann (SVP, SO) zwei Mitglieder der regionalen SRG-Gesellschaften, doch ist zumindest Reimann als SRG-Kritiker bekannt. Auf derselben Seite steht auch der ehemalige SF-Redaktor Filippo Leutenegger (FDP, ZH), der zusammen mit Natalie Rickli (SVP, ZH) die SRG-kritische Aktion Medienfreiheit präsidiert. Rickli arbeitet zudem bei der SRG-Konkurrentin Goldbach Group, die hierzulande die meisten ausländischen TV-Werbefenster vermarktet. Mehr Rückhalt dürfte die SRG beim ehemaligen SF-Journalisten Matthias Aebischer (SP, BE) geniessen.

Journalisten, PR-Leute und die Werbe-Lobby

Vier Nationalräte und eine Ständerätin geben übrigens an, journalistisch tätig zu sein: Weltwoche-Redaktor Peter Keller (SVP, NW), Lorenzo Quadri (Lega, TI), der beim Lega-Blatt Mattino della Domenica arbeitet, der ehemalige Tagblatt-Redaktor Christian Lohr (CVP, SG), der heute freier Journalist ist, dann der Waadtländer Liberale Fahti Derder, der auch als Kommunikationsberater arbeitet, sowie aus dem selben Kanton SP-Ständerätin Géraldine Savary.

Vier weitere Politiker kommen aus dem PR- und Kommunikationsbereich: So ist Nationalrätin Doris Fiala (FDP, ZH) Inhaberin von relations & more, einer Agentur für Öffentlichkeitsarbeit, ihr Ratskollege Balthasar Glättli (Grüne, ZH) ist beim VPOD Schweiz als Leiter Kampagnen und Werbung tätig, der PR-Berater Lorenz Hess (BDP, BE) sitzt im VR der Berner Kommunikationsagentur Stoll, Hess und Partner, und Ständerat Werner Luginbühl (BDP BE) arbeitet als Leiter Public Affairs bei der Mobiliar.

Auch die Werbung hat zahlreiche Interessenvertreter im Bundeshaus: Im Ständerat ist es einmal mehr Filippo Lombardi, der als Präsident des Verbandes Schweizer Werbung gleich für die ganze Branche lobbyiert. Schützenhilfe erhält er von acht Nationalräten, die sich im Rahmen der IG Freiheit unter anderem gegen Werbeverbote einsetzen. Konkret sind dies IG-Präsident Peter Spuhler (SVP, TG), die beiden Vizepräsidenten Otto Ineichen (FDP, LU) und Gerhard Pfister (CVP, ZG) sowie die IG-Mitglieder Toni Brunner (SVP, SG), Christian Lüscher (FDP, GE), Jean-François Rime (SVP, FR), Thomas Müller (SVP,SG) und Walter Müller (FDP, SG).

Vom Glasfaser-Verband bis zum Pruntruter Kino

Erstaunlich ist, dass der im letzten September gegründete «Interessenplattform» Glasfasernetz Schweiz, wo die Swisscom mit CEO Carsten Schloter prominent vertreten ist, gleich drei Vorstandsmitglieder nach Bundesbern delegieren kann, nämlich die Nationalräte Martin Landolt (BDP, GL) und Ruedi Noser (FDP, ZH) sowie CVP-Ständerat Peter Bieri (ZG).

Fünf SP-Parlamentarier haben anderweitige Affinitäten zum Thema Medien: So arbeitet die Nationalrätin Evi Allemann (BE) im Vorstand der «Vereinigung gegen mediale Gewalt» mit, Ratskollegin Ursula Wyss (BE) ist im Beirat des Instituts für Medienwissenschaften der Uni Bern, und Ständerätin Pascale Bruderer Wyss (AG) gehört dem Advisory Board des Swiss Media Forum, das letztes Jahr von «Der Sonntag»-Chefredaktor Patrik Müller initiiert wurde. Zudem ist Bruderer Anwältin des Aussenwerbers Clear Channel Schweiz. Zu erwähnen sind noch Nationalrat Pierre-Alain Fridez (JU), der für das Kino von Pruntrut engagiert, sowie Ständerat Hans Stöckli (BE), der im Stiftungsrat der Comdays (Bieler Kommunikationstage) Einsitz hat.

Wo die Bundesparlamentarier engagiert sind, geht zumindest teilweise aus den selbst deklarierten Interessenbindungen (www.parlament.ch) hervor. Allerdings sind die Listen dort fehlerhaft, teilweise veraltet und unvollständig. Unvollständig ist übrigens auch das Bundesparlament: Denn nach der Wahl von Ständerat Alain Berset in den Bundesrat muss der Kanton Fribourg am 11. März noch einen neuen Standesvertreter bestimmen.

Markus Knöpfli

(Teaserbild: Parlament.ch)
 

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