Netflix, Spotify & Co. geben unter Jugendlichen in der Schweiz den Ton an

Flatrate-Streaming wird bei Jugendlichen immer beliebter. Dies und mehr zeigt die James-Studie 2018 von ZHAW und Swisscom, die den Medienumgang von Jugendlichen in der Schweiz abbildet.

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Ein Drittel der Jugendlichen in der Schweiz verfügt über ein eigenes Video- und Musik-Streaming-Abo von Netflix, Spotify & Co. (Video: 33 Prozent; Musik: 35 Prozent). Damit haben sich diese beiden Abotypen in den letzten beiden Jahren mehr als verdoppelt. Sogar über die Hälfte der Haushalte ist mit solchen Streaming-Abos ausgestattet (Video: 56 Prozent; Musik: 51 Prozent). Auch Game-Flatrate-Abos, die das unbegrenzte Spielen von Games ermöglichen, sind in rund einem Viertel der Haushalte vorhanden. Dies zeigt die aktuelle James-Studie 2018, für die seit 2010 bereits zum fünften Mal rund 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren zur Mediennutzung befragt wurden. «War es in früheren Jahren vor allem die Verbreitung des Smartphones, die die Nutzungsgewohnheiten der Jugendlichen stark veränderte, spielen jetzt Musik- und Video-Streaming-Dienste eine grosse Rolle», sagt ZHAW-Forscher und Studienleiter Daniel Süss, der die James-Studie mit Co-Projektleiter Gregor Waller und seinem Team durchgeführt hat.

Streaming beeinflusst Inhalte

Flatrate-Streaming ermöglicht den Schweizer Jugendlichen nicht nur den Zugang zu einem riesigen Angebot an Filmen, Musik oder Games, sondern beeinflusst auch ihre Vorlieben. Die beliebteste Serie ist beispielsweise «Haus des Geldes», die über Netflix verbreitet wird. Von den zehn beliebtesten Serien stammen insgesamt sieben von diesem Serienportal. «Neben dem schier unendlichen Angebot werden aufgrund der Nutzung zusätzliche Titel algorithmisch vorgeschlagen. Wie sich dieses Unterhaltungs-Schlaraffenland auf das Verhalten auswirkt, wird sich erst noch zeigen», sagt Gregor Waller. «Damit findet die Individualisierung der Gesellschaft ihr Abbild auch im Medienumgang, bei dem man sich sein Medienmenü ganz nach Belieben zusammenstellen kann. Medienkompetenz heisst in Zukunft je länger je mehr auch, sich das optimale Medienmenü aus den Millionen von Möglichkeiten zusammenstellen zu können», sagt Waller.

Medienkompetenz heisst in Zukunft je länger je mehr auch, sich das optimale Medienmenü aus den Millionen von Möglichkeiten zusammenstellen zu können.

Auch bei Videospielen gibt es vermehrt Game-Flatrate-Abos wie Playstation Now oder Xbox Game Pass. Bereits 23 Prozent der Jugendlichen und ein Drittel der Haushalte verfügen damit über einen Zugriff auf eine breite Palette von Games. Games sind ausserdem zunehmend über viele Plattformen hinweg spielbar, was ihre Verbreitung wie beim beliebtesten Game «Fortnite» fördert. Gleichzeitig verlieren tragbare Spielkonsolen an Relevanz, da vermehrt mit Handy oder Tablet gespielt wird. Nur noch 37 Prozent der Jugendlichen besitzen eine eigene tragbare Spielkonsole (2016: 45 Prozent). Das Flatrate- Streaming wirkt sich auf den Gerätebesitz der Jugendlichen aus. Radiogeräte, DVD- sowie MP3-Player verlieren an Bedeutung. Besassen beispielsweise vor sechs Jahren noch vier von fünf Jugendlichen einen MP3-Player (81 Prozent), sind es heute noch zwei von fünf (2016: 53 Prozent; 2018: 38 Prozent).

Messenger-Apps statt SMS

99 Prozent der 12- bis 19-Jährigen haben ein eigenes Mobiltelefon. Sie nutzen es täglich rund zweieinhalb Stunden – in erster Linie zum Kommunizieren: 95 Prozent täglich oder mehrmals wöchentlich via Messenger-App. Es verwundert deshalb nicht, dass die beliebteste Smartphone-App Instagram ist, gefolgt von Whatsapp und Snapchat. Daneben wird das Handy von den Jugendlichen vor allem auch zu Unterhaltungszwecken eingesetzt, um Musik zu hören (89 Prozent), im Internet zu surfen (89 Prozent), soziale Netzwerke zu besuchen (88 Prozent) oder Videos zu schauen (82 Prozent). Zum Vergleich: Das regelmässige Telefonieren hat sich bei 70 Prozent eingependelt, die Nutzung von SMS ist auf 49 Prozent gesunken (2012: 93 Prozent).

Snaps und Stories dominieren

94 Prozent der Schweizer Jugendlichen sind bei mindestens einem sozialen Netzwerk angemeldet. Allerdings wird bis zu ein Fünftel der Accounts nicht aktiv genutzt. Fast alle Befragten verfügen über einen Account bei Instagram (87 Prozent) oder Snapchat (86 Prozent). Eine Mehrheit nutzt diese mehrmals pro Tag. Facebook hat hingegen mit 52 Prozent einige Plätze eingebüsst. Dieser Trend zeigt sich auch bei der Nutzung: Während sich 2014 fast vier Fünftel der Jugendlichen mindestens mehrmals pro Woche auf Facebook aufhielten, tut dies aktuell nur noch rund ein Fünftel. Aber je älter sie sind, desto eher nutzen sie Facebook regelmässig.

In den sozialen Netzwerken sind Jugendliche zurückhaltend und geben wenig öffentlich preis. Am häufigsten werden Fotos, Videos oder Texte von anderen angeschaut (82 Prozent mindestens mehrmals pro Woche) und gelikt (80 Prozent). Auch das Chatten innerhalb der Netzwerke ist beliebt (75 Prozent). Hingegen postet weniger als die Hälfte der Befragten regelmässig Fotos, Videos oder Texte. Wenn, dann handelt es sich meist um zeitlich limitierte Beiträge (45 Prozent) oder solche für ein ausgewähltes Publikum (29 Prozent). Snapchat und Instagram unterstützen zeitlich begrenzte Beiträge wie Snaps oder Stories, die wieder verschwinden. Zudem haben drei Viertel der Jugendlichen Einstellungen aktiviert, die Fotos und Videos nur bestimmten Personen anzeigt. «Offenbar trägt die Sensibiliserung von Jugendlichen rund um das Publizieren von Inhalten auf sozialen Netzwerken Früchte», sagt Gregor Waller. «Die Jugendlichen sind zurückhaltend, schützen sich mittels Privatsphären-Einstellungen oder posten das Material nur zeitlich limitiert.»

Onlinezeit konstant geblieben

Insgesamt ist die Internetnutzungszeit unter der Woche seit 2016 bei 2 Stunden 30 Minuten konstant geblieben. Online nutzen Jugendliche zur Unterhaltung vor allem soziale Netzwerke und Videoportale wie Youtube regelmässig. Es werden vermehrt Videos im Internet geschaut (85 Prozent mind. mehrmals pro Woche) statt ferngesehen (69 Prozent). Um sich im Internet zu informieren, werden primär Suchmaschinen wie Google eingesetzt. Hingegen lesen immer weniger Jugendliche regelmässig Zeitungen, ob online (2010: 26 Prozent; 2018: 18 Prozent) oder auf Papier per Gratis- (2010: 49 Prozent; 2018: 21 Prozent) sowie Abozeitung (2010: 32 Prozent; 2018: 11 Prozent).

Die Familie gewinnt gegenüber dem Freundeskreis an Bedeutung. Dies kann als Gegentrend auf ein vermeintlich unsicheres Weltgefühl aufgefasst werden.

Erstmals seit Beginn der Erhebungen zeigen sich Veränderungen in der non-medialen Freizeitgestaltung. Im Vergleich zu 2010 unternehmen die 12- bis 19-Jährigen häufiger etwas mit der Familie (2010: 16 Prozent; 2018: 27 Prozent mindestens mehrmals pro Woche), treffen demgegenüber seltener Freunde (2010: 81 Prozent; 2018: 70 Prozent). «Dies entspricht dem gesellschaftlichen Trend des Social Cocooning und bedeutet, sich vermehrt ins häusliche Privatleben zurückzuziehen», sagt Daniel Süss. «Die Familie gewinnt gegenüber dem Freundeskreis an Bedeutung. Dies kann als Gegentrend auf ein vermeintlich unsicheres Weltgefühl aufgefasst werden», meint Süss. Nebst dem Treffen von Freunden treiben 67 Prozent der Jugendlichen regelmässig Sport und 65 Prozent tun gerne auch mal gar nichts.

Cybergrooming hat zugenommen

Ein Drittel der Jugendlichen in der Schweiz ist online bereits einmal von einer fremden Person mit unerwünschten sexuellen Absichten angesprochen worden. Bei den 18- und 19-Jährigen ist es fast die Hälfte (43 Prozent), aber auch 12-/13-Jährige sind betroffen. Dieses sogenannte Cybergrooming hat in den letzten vier Jahren signifikant zugenommen (2014: 19 Prozent; 2016: 25 Prozent; 2018: 30 Prozent). «Hier muss deshalb bereits früh Aufklärungsarbeit geleistet und Jugendliche im Umgang mit solchen Kontaktaufnahmen unterstützt werden», sagt Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter bei Swisscom. Schon mindestens einmal online fertig gemacht wurde knapp ein Viertel der Befragten (23 Prozent). Cybermobbing ist seit 2010 in etwa stabil geblieben. «Jugendliche unterschiedlichster Hintergründe und bereits 12-Jährige sind von Cybermobbing betroffen. Deshalb ist es wichtig, dass die Präventionsarbeit bereits in der Primarschule einsetzt», sagt In Albon. Knapp die Hälfte der Jugendlichen hat schon einmal eine fremde Internetbekanntschaft getroffen (42 Prozent).

Über die Studie: Die James-Studie bildet den Medienumgang von Jugendlichen in der Schweiz ab. James steht für «Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz» und wird alle zwei Jahre durchgeführt. In der repräsentativen Studie werden seit 2010 von der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Auftrag von Swisscom über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 in den drei grossen Sprachregionen der Schweiz zu ihrem Medien- und Freizeitverhalten befragt.

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