Was bei Siroop schief lief und was Galaxus besser macht

Der Online-Marktplatz von Coop und Swisscom ist zwei Jahre nach dem Start gescheitert. 21 Millionen Franken flossen in die Werbung für das gross angelegte Projekt. Am Ende bleiben ein Verlust von 140 Millionen Franken - und Erkenntnisse, was man hätte besser machen können.

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Um Siroop stand es schlimmer als vermutet. Der von Coop und Swisscom ins Leben gerufene Onlinemarktplatz hat einen Verlust von rund 140 Millionen Franken eingefahren, wie die Handelzeitung unter Bezug auf Bilanzen beim Handelsregister schreibt. Siroop erzielte demnach im Jahr 2017 einen Ertrag von 2 Millionen Franken. Die Ausgaben überstiegen diese Zahl allerdings um ein Vielfaches. So schlugen die Löhne mit 19 Millionen Franken zu Buche. Für Werbung zahlte Siroop 21 Millionen Franken. In den ersten vier Monaten des aktuellen Jahres erwirtschaftete Siroop mit 1,7 Millionen Franken zwar fast so viel wie im gesamten Jahr zuvor. Der Verlust lag allerdings mit 27 Millionen Franken, auch wegen Abschreibungen, ebenso höher. Vor diesem Hintergrund scheint es weder erstaunlich, dass Swisscom die Anteile an Siroop im April an Coop abgestossen hat. Noch dass Coop den Shop Ende des Jahres abschaltet und die Überreste in Microspot integriert.

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Für die zum Teil umstrittene Kampagne von Siroop zeichnete die Zürcher Agentur Rod Kommunikation verantwortlich.

E-Commerce-Report liefert mögliche Antworten

Was bleibt, sind nicht nur Erinnerungen an klebrige Werbesujets. Sondern auch die Frage: Was haben Coop und Swisscom falsch gemacht beim Aufbau ihres Online-Warenhauses? Falsche Werbung? Falsche Strategie? Zu schnell zu viel gewollt?

Der diesjährige E-Commerce-Report Schweiz bietet mögliche Antworten. Die Grundlage für die Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz bilden Interviews mit Schweizer Geschäftsführern und E-Commerce-Verantwortlichen. Elf von ihnen äusserten sich zu den Aussichten von Siroop. Obwohl der Marktplatz zum Zeitpunkt der Befragungen noch nicht für tot erklärt worden war, ist keine der Äusserungen optimistisch.

Aus einem Konzern heraus ein tolles Internet-Start-up zu kreieren, klappt fast nie.

Die Experten kritisierten vor allem die unscharfe Positionierung am Markt. «Ich erkenne die Strategie nicht, vor allem hinsichtlich einer Preis- und Sortimentsdifferenzierung», sagt ein Studienteilnehmer. Ein Onlinemarktplatz, der kein wirkliches Alleinstellungsmerkmal zur vorhandenen Konkurrenz bietet? Ruft man die (bis Ende Jahr noch vorhandene) Website von Siroop auf, heisst es in der oberen Leiste unter anderem: «Über 1 Millionen Produkte. Über 500 Schweizer Händler.» Konkurrent Galaxus bietet mehr Produkte (1,7 Millionen). Und die hohe Zahl der angebundenen Händler, zu denen viele kleine und ein paar grosse wie Brack.ch zählten, hat auch Schattenseiten. «Die Grundidee von Siroop ist, einen Online-Marktplatz zu bauen, der die ganze Vielfalt der Händlerschaft in der Schweiz abbildet», erklärte Siroop-CEO Constantin Hiltl im Jahr 2016. Eigentlich eine schöne Idee. Und doch sei es vielleicht zu idealistisch gewesen, gleich dem breiten Schweizer Detailhandel einen Weg in die Digitalisierung ebnen zu wollen, heisst es im Report. Das Anbinden zu vieler kleiner und noch zu wenig vorbereiteter Anbieter bremse das Tempo und binde viele Ressourcen. Überhaupt sei es wohl zu verwegen gewesen, einen Marktplatz ohne vorhandenes Team, ohne IT-System, ohne Sortiment und ohne etablierte Lieferantenbeziehungen innert kürzester Zeit aus dem Boden stampfen zu wollen. Ausserdem, wendet Co-Gründer Tobias Schubert vom Start-up Farmy ein, sei aus einem Konzern heraus fast noch nie ein tolles Internet-Start-up entstanden.

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Die WM-Kamapgne von Siroop-Konkurrent Galaxus.

Galaxus setzt auf die Online-Leader

In dem Punkt hat Digitec Galaxus einen grossen Vorteil: Digitec ging 2001 online und mauserte sich bereits zum Online-Marktführer für Unterhaltungselektronik, als Migros 2012 eine Beteiligung erwarb. Galaxus, im Jahr 2010 gegründet, sei keine Hauruck-Übung, sondern ein reifes, schnelles Unternehmen mit eigenständiger Firmenkultur. Diese gilt als «piratisch» und innovativ. Mitgründer Florian Teuteberg ist nach wie vor als CEO mit an Bord. Technologieseitig kommt bereits das dritte, selbst entwickelte IT-System zum Einsatz. Noch ein Unterschied zu Siroop: Statt 500 Händlern arbeitet Galaxus mit 60 Anbietern zusammen. «Sie wollen aus allen Kategorien die Online-Leader auf ihre Plattform holen», heisst es im Report. Ein Studienteilnehmer lobt zudem die klare Positionierung in Form einer Kombination aus Preisvorteilen und gut gepflegten Inhalten.

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Florian Teuteberg, CEO von Digitec Galaxus.

Die Umsatzzahlen scheinen dem Eindruck der Befragten recht zu geben: Digitec Galaxus soll dieses Jahr die Umsatzmilliarde knacken. Das wäre ein Novum für einen Schweizer E-Commerce-Anbieter. Allerdings hat das Unternehmen auch hohe Auslagen, mitunter für die mittlerweile 1100 Mitarbeitende. Und auch für die Werbung, von der man munkelt, dass sie die Ausgaben von Siroop übersteigen. Zudem kostet die geplante Expansion nach Deutschland Investitionen in IT und die Zollabwicklung. Zu dem vorgelegten Tempo beigetragen hat gemäss dem Report durchaus die Lancierung von Siroop. Der Migros-Handel-Leiter Beat Zahn sagte damals: «Wenn wir weiterhin die Nummer eins der Schweiz sein wollen, brauchen wir Ressourcen.» Es sei an der Zeit, einen sehr grossen Beitrag für die digitale Transformation der Migros-Gruppe zu leisten.

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Joos Sutter, Coop-Chef.

Teuer bezahlter Know-how-Gewinn

Wie gut es Galaxus aber wirklich geht und wie viel Gewinn oder Verlust am Ende bleibt, legt das Unternehmen bisher nicht offen. Andere Konkurrenten, Amazon beispielsweise, fischen zunehmend im Schweizer Teich. Und Coop wird Migros das Feld nicht kampflos überlassen. Beim orangenen Detailhandelsriesen fliesst nun nicht nur Manpower in den Onlinehändler Microspot, sondern auch der Erfahrungsschatz des gescheiterten Siroop-Versuchs. Angesprochen auf die Fehler, die man gemacht habe, sagte Coop-Chef Joos Sutter jüngst gegenüber der Sonntagzeitung, es hätten einerseits nicht alle Dritte die Prozesse wie zum Beispiel Datenqualität oder Logistik im Griff gehabt, andererseits habe Siroop ein starker Motor gefehlt – nämlich das tragende Eigengeschäft. Man nehme aber viel Know-how mit (Werbewoche berichtete). Know-how, das gemäss den offen gelegten Bilanzen teuer bezahlt wurde. (ank)

Um Siroop stand es schlimmer als vermutet. Der von Coop und Swisscom ins Leben gerufene Onlinemarktplatz hat einen Verlust von rund 140 Millionen Franken eingefahren, wie die Handelzeitung unter Bezug auf Bilanzen beim Handelsregister schreibt. Siroop erzielte demnach im Jahr 2017 einen Ertrag von 2 Millionen Franken. Die Ausgaben überstiegen diese Zahl allerdings um ein Vielfaches. So schlugen die Löhne mit 19 Millionen Franken zu Buche. Für Werbung zahlte Siroop 21 Millionen Franken. In den ersten vier Monaten des aktuellen Jahres erwirtschaftete Siroop mit 1,7 Millionen Franken zwar fast so viel wie im gesamten Jahr zuvor. Der Verlust lag allerdings mit 27 Millionen Franken, auch wegen Abschreibungen, ebenso höher. Vor diesem Hintergrund scheint es weder erstaunlich, dass Swisscom die Anteile an Siroop im April an Coop abgestossen hat. Noch dass Coop den Shop Ende des Jahres abschaltet und die Überreste in Microspot integriert.

E-Commerce-Report liefert mögliche Antworten

Was bleibt, sind nicht nur Erinnerungen an klebrige Werbesujets. Sondern auch die Frage: Was haben Coop und Swisscom falsch gemacht beim Aufbau ihres Online-Warenhauses? Falsche Werbung? Falsche Strategie? Zu schnell zu viel gewollt?

Der diesjährige E-Commerce-Report Schweiz bietet mögliche Antworten. Die Grundlage für die Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz bilden Interviews mit Schweizer Geschäftsführern und E-Commerce-Verantwortlichen. Elf von ihnen äusserten sich zu den Aussichten von Siroop. Obwohl der Marktplatz zum Zeitpunkt der Befragungen noch nicht für tot erklärt worden war, ist keine der Äusserungen optimistisch.Die Experten kritisierten vor allem die unscharfe Positionierung am Markt. «Ich erkenne die Strategie nicht, vor allem hinsichtlich einer Preis- und Sortimentsdifferenzierung», sagt ein Studienteilnehmer.

Ein Onlinemarktplatz, der kein wirkliches Alleinstellungsmerkmal zur vorhandenen Konkurrenz bietet? Ruft man die (bis Ende Jahr noch vorhandene) Website von Siroop auf, heisst es in der oberen Leiste unter anderem: «Über 1 Millionen Produkte. Über 500 Schweizer Händler.» Konkurrent Galaxus bietet mehr Produkte (1,7 Millionen).

Und die hohe Zahl der angebundenen Händler, zu denen viele kleine und ein paar grosse wie Brack.ch zählten, hat auch Schattenseiten. «Die Grundidee von Siroop ist, einen Online-Marktplatz zu bauen, der die ganze Vielfalt der Händlerschaft in der Schweiz abbildet», erklärte Siroop-CEO Constantin Hiltl im Jahr 2016.

Eigentlich eine schöne Idee. Und doch sei es vielleicht zu idealistisch gewesen, gleich dem breiten Schweizer Detailhandel einen Weg in die Digitalisierung ebnen zu wollen, heisst es im Report. Das Anbinden zu vieler kleiner und noch zu wenig vorbereiteter Anbieter bremse das Tempo und binde viele Ressourcen. Überhaupt sei es wohl zu verwegen gewesen, einen Marktplatz ohne vorhandenes Team, ohne IT-System, ohne Sortiment und ohne etablierte Lieferantenbeziehungen innert kürzester Zeit aus dem Boden stampfen zu wollen. Ausserdem, wendet Co-Gründer Tobias Schubert vom Start-up Farmy ein, sei aus einem Konzern heraus fast noch nie ein tolles Internet-Start-up entstanden.

Galaxus setzt auf die Online-Leader

In dem Punkt hat Digitec Galaxus einen grossen Vorteil: Digitec ging 2001 online und mauserte sich bereits zum Online-Marktführer für Unterhaltungselektronik, als Migros 2012 eine Beteiligung erwarb. Galaxus, im Jahr 2010 gegründet, sei keine Hauruck-Übung, sondern ein reifes, schnelles Unternehmen mit eigenständiger Firmenkultur. Diese gilt als «piratisch» und innovativ. Mitgründer Florian Teuteberg ist nach wie vor als CEO mit an Bord. Technologieseitig kommt bereits das dritte, selbst entwickelte IT-System zum Einsatz.

Noch ein Unterschied zu Siroop: Statt 500 Händlern arbeitet Galaxus mit 60 Anbietern zusammen. «Sie wollen aus allen Kategorien die Online-Leader auf ihre Plattform holen», heisst es im Report. Ein Studienteilnehmer lobt zudem die klare Positionierung in Form einer Kombination aus Preisvorteilen und gut gepflegten Inhalten.

Die Umsatzzahlen scheinen dem Eindruck der Befragten recht zu geben: Digitec Galaxus soll dieses Jahr die Umsatzmilliarde knacken. Das wäre ein Novum für einen Schweizer E-Commerce-Anbieter. Allerdings hat das Unternehmen auch hohe Auslagen, mitunter für die mittlerweile 1100 Mitarbeitende. Und auch für die Werbung, von der man munkelt, dass sie die Ausgaben von Siroop übersteigen. Zudem kostet die geplante Expansion nach Deutschland Investitionen in IT und die Zollabwicklung.

Zu dem vorgelegten Tempo beigetragen hat gemäss dem Report durchaus die Lancierung von Siroop. Der Migros-Handel-Leiter Beat Zahn sagte damals: «Wenn wir weiterhin die Nummer eins der Schweiz sein wollen, brauchen wir Ressourcen.» Es sei an der Zeit, einen sehr grossen Beitrag für die digitale Transformation der Migros-Gruppe zu leisten.

Teuer bezahlter Know-how-Gewinn

Wie gut es Galaxus aber wirklich geht und wie viel Gewinn oder Verlust am Ende bleibt, legt das Unternehmen bisher nicht offen. Andere Konkurrenten, Amazon beispielsweise, fischen zunehmend im Schweizer Teich. Und Coop wird Migros das Feld nicht kampflos überlassen. Beim orangenen Detailhandelsriesen fliesst nun nicht nur Manpower in den Onlinehändler Microspot, sondern auch der Erfahrungsschatz des gescheiterten Siroop-Versuchs. Angesprochen auf die Fehler, die man gemacht habe, sagte Coop-Chef Joos Sutter jüngst gegenüber der Sonntagzeitung, es hätten einerseits nicht alle Dritte die Prozesse wie zum Beispiel Datenqualität oder Logistik im Griff gehabt, andererseits habe Siroop ein starker Motor gefehlt – nämlich das tragende Eigengeschäft. Man nehme aber viel Know-how mit (Werbewoche berichtete). Know-how, das gemäss den offen gelegten Bilanzen teuer bezahlt wurde.

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