Swiss made – sehr genau genommen

Am 1. Januar 2017 tritt das neue Swiss-made-Gesetz in Kraft. Dann dürfen nur noch Produkte mit Schweizer Symbolen gekennzeichnet werden, die zu einem hohen Prozentsatz in der Schweiz oder mit Schweizer Zutaten gefertigt wurden. Wie viel Schweiz drin sein muss, damit Schweiz draufstehen darf, ist exakt festgelegt. Und wer gegen die neue Regelung verstösst, muss mit hohen Bussen oder gar Gefängnis rechnen. Deshalb sollten auch Werber und Brandingagenturen gut über die neuen Vorschriften Bescheid wissen. Ein unbedachtes Kreuzchen auf rotem Grund kann schnell teuer werden.

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«Ziel der neuen Gesetzgebung ist der Schutz des Konsumenten vor Täuschung», erklärt Ueli Grüter, Rechtsanwalt und Dozent für Kommunikationsrecht an der Hochschule Luzern. Konsumenten sollen sich künftig darauf verlassen können, dass wirklich Schweizer Zutaten und Schweizer Arbeit drinstecken, wo «Schweizer Produkt», Swiss made, Made in Switzerland oder ähnliche Bezeichnungen draufstehen, die auf die Herstellung in der Schweiz hinweisen. Dieser Regelung unterliegen auch klassische Schweizer Symbole wie das Schweizerkreuz, das Schweizer Wappen, das Edelweiss oder Heidi.

Swissness ist nach wie vor ein sehr gutes Verkaufsargument, im Inland und noch mehr im Ausland. Wenn Schweizer Hersteller sich aber mit ihren Produkten von Herstellern anderer Länder absetzen und rechtfertigen wollen, dass Schweizer Produkte im Marktvergleich teurer sind (weil man die Schweizer Herkunft mitbezahlt), müssen sie auch nachweisen können, dass der Konsument ein echt schweizerisches Produkt in den Händen hält. So der Grundgedanke der Initiative von Ständerat Thomas Minder (Trybol AG), die das neue Gesetz hervorgebracht hat.

Im Grundsatz ist die neue Gesetzgebung gut nachvollziehbar; sie wertet das Label Swiss auf. 78 % der Schweizer Bevölkerung halten das Gesetz für eine gute Sache, wie eine Umfrage im Auftrag des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie ergab. Auf der anderen Seite macht das neue Gesetz für Unternehmen, für die Swissness eine zen- trale Rolle spielt, eine ganze Reihe von Anpassungen nötig und produziert spitze Klippen, die umschifft werden müssen. Bei Emmi beispielsweise arbeitet man seit über einem Jahr an der Anpassung der rund 5000 Produkte an die Voraussetzungen, die mit Beginn des neuen Jahres erfüllt sein müssen.

Das revidierte Marken- und Wappenschutzgesetz regelt die Zulässigkeit von Swiss-made-Labeln für Naturprodukte, Lebensmittel, industrielle Produkte und Dienstleistungen. Die Regelungen sehen im Einzelnen Folgendes vor:

Schweizer Naturprodukte

Naturprodukte wie Gemüse, Mineralwasser, Fleisch oder Kies dürfen nur als Schweizer Produkte deklariert werden, wenn der Ort ihrer Ernte oder ihrer Gewinnung in der Schweiz liegt. Tiere, deren Fleisch als Schweizer Fleisch deklariert wird, müssen den überwiegenden Teil ihres Lebens in der Schweiz verbracht haben; sie müssen dort gejagt oder gefischt worden sein.

Sobald ein Naturprodukt eine wesentliche Verarbeitung erfährt, gilt es als Lebensmittel (z. B. Bratwurst) oder als industrielles Produkt (z. B. Holzmöbel) und unterliegt den entsprechenden Bestimmungen.

Schweizer Lebensmittel

Bei Lebensmitteln, die das Label Swiss made tragen sollen, müssen 80 % der Rohstoffe aus der Schweiz stammen. Hier wird der Versorgungsgrad berücksichtigt, also die Möglichkeit, sich in der Schweiz mit diesem Rohstoff zu versorgen. Die Versorgungs- grade sind branchenabhängig: Eichhof-Bier, das mit 99 % Pilatuswasser gebraut wird, darf als Schweizer Produkt gekennzeichnet werden, auch wenn Hopfen und Malz aus Deutschland stammen – dies aber nur, weil Konsumenten das Pilatuswasser als wesensbestimmend für dieses Produkt betrachten und dies nun gesetzlich so geregelt ist.

Liegt der Versorgungsgrad von Rohstoffen unter 20 %, wird der Rohstoff nicht bei der Berechnung der Swissness berücksichtigt; das wäre zum Beispiel bei Schweizer Olivenöl der Fall, bei dem die Oliven nicht aus der Schweiz stammen können, weil hier keine wachsen. Dafür müsste die Verarbeitung oder Veredlung des Öls zu 100 % in der Schweiz stattfinden, damit das Label Swiss made zulässig ist. Bei einem Versorgungsgrad von 20 bis 49,9 % wird der Rohstoff zur Hälfte angerechnet, bei einem Versorgungsgrad von mehr als 50 % schlägt er voll zu Buche. Milch muss zu 100 % aus der Schweiz stammen, wenn ein Milchprodukt als Schweizer Produkt gelabelt werden soll.
Ausserdem muss die Verarbeitung, die einem Lebensmittel seine wesentliche Eigenschaft verleiht, in der Schweiz stattfinden, wenn es als Schweizer Produkt gelten soll, z. B. die Verarbeitung von Milch zu Käse.

Wenn eine einzelne Schweizer Zutat für das Produkt gewichtsmässig bedeutend oder wesensbestimmend ist, ist es zulässig, sie auf der Rückseite des Produkts auszuweisen, z. B. durch den Hinweis «mit 100 % Schweizer Fleisch» auf einer Lasagne-Packung. Die Platzierung dieser Bemerkung auf der Vorderseite ist irreführend und daher nicht mehr erlaubt.

Swissness ist aufwendig

Was bedeuten diese Vorgaben konkret für Unternehmen in der Lebensmittelindustrie? Emmi beispielsweise führt das Schweizerkreuz im Firmenlogo. Mit diesem waren bisher auch alle rund 5000 Produkte gekennzeichnet. Ab 1. Januar 2017 ändert sich das – allerdings muss der Verbraucher schon ganz genau hinschauen, um die Unterschiede zu bemerken: So erfüllt zum Beispiel der Milchdrink «Caffè Latte Vanilla» die Swiss-made-Kriterien, weil er mit 77 % Schweizer Milch hergestellt und in Ostermundigen abgefüllt wird. Sein jüngerer Bruder «Caffè Latte Espresso Extra Shot» erfüllt die Kriterien nicht – das Getränk enthält zwar Schweizer Milch, wird aber in Deutschland produziert. Also ist auf dem Vanilledrink das Emmi-Logo mit Schweizerkreuz abgebildet, auf dem Espressogetränk das Emmi-Logo ohne Schweizerkreuz (siehe Foto unten).

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Als klar war, dass das Swiss-made- Gesetz in Kraft treten würde, begann Emmi, alle seine 5000 Produkte zu prüfen: Bei den Milchprodukten mit 100 % Schweizer Milch und Produktion in der Schweiz war die Lage unproblematisch – Swissness erfüllt. Alle anderen Produkte musste das Unternehmen genau unter die Lupe nehmen und prüfen, ob Swissness erfüllt werden soll und wenn ja, wie. Der Luzerner Rahmkäse mit 80 % Schweizer Rohstoffen durfte sein Schweizerkreuz behalten, beim Parmesankäse wurde das Kreuz entfernt. Das Birchermüesli sollte schweizerisch bleiben. Um das zu gewährleisten, mussten einige Inhaltsstoffe ausgetauscht werden, damit das Urschweizer Kraftpaket weiterhin unter Swiss made laufen darf: Die Milch kommt zwar zu 100 % aus der Schweiz, die Apfelstückchen im Müesli wurden aber bislang aus Italien bezogen. Da der Versorgungsgrad von Äpfeln in der Schweiz aber 80 % beträgt, musste Emmi den Anteil an Schweizer Äpfeln im Birchermüesli erhöhen. Ob das dem Geschmack des Produkts zum Vorteil gereicht, sei dahingestellt. Swiss made ist es nun auf jeden Fall.

Absurd mutet der Fondue-Fall an: Fondue von Emmi besteht aus 52 % Schweizer Käse und 30 % Weisswein. Dieser kommt aber aus Frankreich, weil Weisswein in der Schweiz nicht für den industriellen Bedarf angebaut wird. Erst am 15. November hat der Bund neben 57 anderen Rohstoffen auch Industriewein zur Herstellung von Fondue- zubereitungen von der Swissness-Berechnung ausgenommen. Verschiedene Organisationen der Ernährungswirtschaft hatten insgesamt 81 Begehren zur Gewährung einer Ausnahme eingereicht. Die Ausnahme für Fonduewein ist bis 31. Dezember 2018 befristet und wird periodisch überprüft. Hätte der Bund keine Ausnahme genehmigt, hätte Emmi womöglich die Entscheidung getroffen, beim Fondue Swiss made nicht erfüllen zu können – und künftig auch den Käse günstiger im Ausland einzukaufen…

Um die Berechnung der Swissness-relevanten Anteile in Lebensmitteln zu vereinfachen, stellt das Bundesamt für Landwirtschaft BLW auf seiner Website ein eigenes Berechnungstool zur Verfügung.

Schweizer Industrieprodukte

Bei Schweizer Industrieprodukten müssen 60 % der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen; berücksichtigt werden dabei Fabrikation, Zusammensetzung, Forschung, Entwicklung, Qualitätssicherung und Zertifizierung. Kosten, die zum Beispiel durch Marketingmassnahmen entstehen, dürfen nicht angerechnet werden. Die Produk- tion in der Schweiz muss das Produkt prägen.
Ein Unternehmen kann seine in der Schweiz entwickelten Turnschuhe also nicht in Taiwan produzieren lassen und dann mit einem Schweizerkreuz bedruckt in der Schweiz verkaufen, nur weil Weiterentwicklung und Marketing von der Schweiz aus gesteuert werden. Ein Verkauf der Schuhe mit Schweizerkreuz nach Deutschland dagegen wäre zulässig – denn die Anwendung des Swissness-Gesetzes endet an der Schweizer Grenze.

Ausgenommen von der Regel, dass 60 % der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen müssen, sind Naturprodukte, die nicht in der Schweiz hergestellt werden können, z. B. Edelmetalle, Stahl oder Mineralöle. Materialien, die hierzulande nicht in ausreichender Menge verfügbar sind, müssen nur in dem Umfang berücksichtigt werden, in dem sie in der Schweiz zur Verfügung stehen.

Schweizer Dienstleistungen

Bei Dienstleistungen gilt ab 2017 die Regel, dass der Geschäftssitz und der tatsächliche Ort der Verwaltung des Dienstleisters in der Schweiz sein müssen. Briefkastenfirmen dürfen ihre Dienstleistungen nicht länger mit einem Schweizer Label versehen.

Auch die Schweizer Flug- gesellschaft Swiss, die im Juni 2007 von der Deutschen Lufthansa übernommen wurde, unterliegt der neuen Gesetzgebung. Stefan Vasic, Mediensprecher der Swiss, sieht allerdings keinen Handlungsbedarf. Auf Anfrage der Werbewoche sagte er: «Die von Ihnen erwähnte Gesetzgebung ist auch auf unser Unternehmen anwendbar, betrifft uns aber in dem von Ihnen geschilderten Zusammenhang aus folgendem Grund nicht: Sowohl Geschäftssitz, als auch der tatsächliche Ort der Verwaltung von Swiss befinden sich in der Schweiz.»

Die neuen Vorschriften gelten ab dem 1. Januar 2017, der Abverkauf bereits produzierter Güter und Waren ist noch bis zum 31. Dezember 2018 gestattet.

Entwickelt in der Schweiz

Bezeichnungen wie Designed in Switzerland oder Engineered in Switzerland sind weiterhin zulässig, auch wenn die Voraussetzungen für ein Swiss-made-Label nicht erfüllt sind. Das gilt allerdings nur unter folgenden Voraussetzungen: Die gesamte, auf dem Produkt angegebene spezifische Tätigkeit – eben Design oder Engineering – haben in der Schweiz stattgefunden und Worte wie Schweiz oder Switzerland sind in Farbe, Grösse oder Schrift nicht auffälliger als die übrigen Angaben. So steht beispielsweise auf der Rückseite jedes iPhones in kleiner Schrift: Designed by Apple in California – Assembled in China. Verboten sind unter diesen Bedingungen aber der Hinweis «Hergestellt in der Schweiz» oder die Verwendung des Schweizerkreuzes.

Vorsicht mit Schweizerkreuz und Wappen

Bei der Verwendung des Schweizerkreuzes ist künftig grundsätzlich Vorsicht geboten: Nur wenn die Swissness-Bestimmungen erfüllt sind, ist die Kennzeichnung mit dem Schweizerkreuz oder anderen typisch schweizerischen Symbolen erlaubt. Das Schweizerkreuz darf zudem nicht so verwendet werden, dass der Eindruck einer Verbindung zu einer Amtsstelle oder zum Roten Kreuz entsteht.

Zu dekorativen Zwecken darf das Schweizerkreuz weiterhin verwendet werden, zum Beispiel auf einem Caquelon oder auf Hausschuhen. In diesen Fällen sollte das Symbol von den Konsumenten in der Regel nicht als Herkunftsangabe missverstanden werden.

Das Schweizer Wappen ist ein amtliches Symbol und darf daher ausschliesslich mit einer Lizenz des Bundes verwendet werden – das ist ab sofort explizit im Wappenschutzgesetz geregelt. Eine solche Lizenz des Bundes müssen beispielsweise Victorinox oder der TCS künftig vorweisen können, wenn sie ihre Produkte und Dienstleistungen weiterhin mit dem Schweizer Wappen kennzeichnen wollen (siehe Foto 04).

Liegt die Lizenz nicht vor und taucht ein Schweizer Wappen beispielsweise auf einem Werbesujet auf, können auch Werbe- treibende in die Klemme kommen. Denn die Sorgfaltspflicht gebietet ihnen, auf solche Feinheiten zu achten und ihren Auftraggeber gegebenenfalls auf Bestimmungen hinzuweisen. «Werbung wird zunehmend dem Produkt zugeordnet», erklärt Rechtsanwalt Grüter. «Deshalb müssen sich Werber, die mit Swissness werben, erkundigen, was in dem Produkt drin ist, wo es hergestellt ist und ob sie Swiss made schreiben dürfen. Es ist noch nicht so extrem wie bei Werbung für Alkohol, Tabak und Pharmaprodukte. Da können Sie es vergessen, ohne Rechtsanwalt Werbung zu betreiben. Aber wer mit Swissness werben will, holt sich besser juristischen Rat.»

Wer also ab dem kommenden Jahr gedenkt, ein Edelweiss oder ein Heidibildchen in seine Kampagne einzubauen, sollte das Markenschutzgesetz im Hinterkopf haben. Und die Adresse eines spezialisierten Anwalts in der Brieftasche.

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Über die Swissness-Gesetzgebung wird bereits seit über zehn Jahren diskutiert, seit September 2015 ist bekannt, dass das neue Gesetz, das den Umgang mit Herkunftsbezeichnungen und Schweizer Symbolen regelt, am 1. Januar 2017 in Kraft treten wird. Emmi ist deshalb schon seit mehr als einem Jahr damit beschäftigt, seine Produkte so anzupassen, dass sie ab dem 1. Januar 2017 allen Anforderungen gerecht werden. Auch andere Unternehmungen, für die der Faktor Swiss made von entscheidender Bedeutung ist, haben ihre Produkte und Dienstleistungen längst überarbeitet – und sie entweder angepasst oder auf das Label Swiss made bewusst verzichtet. «Das ist sehr vorbildlich, aber auch sehr ratsam», betont Rechtsanwalt Ueli Grüter. «Denn wenn im Nachhinein herauskommt, dass etwas nur aussieht, wie ein Schweizer Produkt, aber in China gefertigt wurde – das erzeugt einen veritablen Imageschaden. Die Medien walzen solche Fälle für gewöhnlich sehr aus, ein Super-GAU für jedes Unternehmen.»

Viele Schweizer Unternehmen, für die Swissness ein nicht so zentrales Verkaufsargument ist, werden es dennoch wohl darauf ankommen lassen, ob sich jemand über ihre Deklarationspraxis beschwert. «In der Regel wird die Konkurrenz darauf aufmerksam machen, dass der andere Marktteilnehmer sich möglicherweise nicht an die Regeln hält», so Rechtsanwalt Ueli Grüter. «Das kann zu einer Klage vor Gericht führen, oder zu einer Auseinandersetzung mit dem Bund. Das Gesetz sieht für gewerbsmässige Verstösse Geldbussen und Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren vor. Die Erfahrung zeigt aber, dass nichts so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird.» Und betroffene Unternehmen müssen erst, wenn jemand klagt, den Nachweis erbringen, wie viel Schweiz wirklich in ihren Produkten steckt.

Anne-Friederike Heinrich

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