«Burn your CD manual»

Vom einstigen Stolz der Firma zum verstaubten Relikt vergangener Tage: Patrick Ensslin, Brand Experience Director bei Hotz Brand Consultants, nennt in seinem Gastbeitrag die schwerwiegendsten Fehler, welche Corporate Design Manuals auch heute noch begehen.

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Über Jahre und Jahrzehnte war es der Inbegriff eines jeden Brand Design Projektes, der ganze Stolz und schwerwiegendes Endprodukt der Agentur und des Kunden: das Corporate Design Manual. Das Referenzwerk, nach dem alle handeln und denken sollten, die mit der Marke eines Unternehmens beruflich zu tun haben. So weit die Theorie.

Verstaubt, zu dick, unhandlich

Die Praxis sieht oft anders aus. In vielen Unternehmen besitzt das CD Manual oft eher den Ruf, die Attraktivität und die Nützlichkeit eines Telefonbuches. Und genauso wie ein Telefonbuch sind auch viele CD Manuals mit der Zeit etwas veraltet. Ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, früher unverzichtbar, heute überholt – in vielerlei Hinsicht. Um in der digitalen Gegenwart wirklich Impact zu erzeugen, braucht’s vom Richtigen mehr und vom Falschen weniger. Im Folgenden haben wir die drei schwerwiegendsten Fehler zusammengetragen, die viele CD Manuals auch heute leider noch begehen.

Fehler #1: Der Inhalt

In den meisten CD Manuals heutiger Firmen thronen breitbeinig die heiligen drei Könige der alten Branding-Welt: Die Briefschaften, der Fotografie-Stil und der Broschüren-Spaltenraster. In der Vergangenheit waren das oft wichtige Richtschnüre für altehrwürdige Druckgrafik-Gestalter und Fotografen, die anhand dieser Regeln die massgeblich prägenden Kontaktpunkte damaliger Marken erarbeitet haben. Doch die Zeiten haben sich geändert, und die Informations-Konsum-Gewohnheiten der Menschen mit ihnen. Heute ist die Wichtigkeit eines schönen Briefkopfes für die Brand Experience, die beim Kunden zurückbleibt, eher zu vernachlässigen. Broschüren werden so gut wie nicht mehr gelesen. Bildwelten sind für moderne Firmen, die eine redaktionelle Markenführung anstreben, für die schnell und viel Content benötigt wird, de facto oft nicht durchsetzbar. Was hingegen in den meisten heutigen Manuals vollständig fehlt, sind Branding-Elemente, die für das tägliche Storytelling im Bewegtbild notwendig sind – Animationsverhalten, ein auf Animierbarkeit optimierter Illustrationsstil, Musikrichtlinien oder Audiologo.

Fehler #2: Die Tiefe

Neben der Tatsache, dass viele der heutigen CD Manuals die falschen Themen behandeln, ist oft auch die Detailverliebtheit der Definitionen bemerkenswert, die in den verschiedenen Kapiteln beschrieben sind. Nicht selten findet man seitenlange Vermessungen von Drucksachen und Konstruktionszeichnungen von Logos; das war früher wichtig, als Druckgrafiker ihre Maquetten noch von Hand skizziert haben und Logos für Plakate gezeichnet wurden, aber ist eigentlich seit der Erfindung von Templates und vektorbasierten Dateiformaten überflüssig. In den wenigsten CD Manuals ist es darüber hinaus dem Leser möglich, die Detailtiefe der Informationen seinen Bedürfnissen entsprechend zu wählen, und das bedeutet die Lektüre von nicht selten über 100 Seiten Regelwerk. Was wiederum bedeutet, dass das Manual a) gar nicht oder b) nur sehr oberflächlich gelesen wird.

Fehler #3: Die Darreichungsform

Viele Manuals werden heute in Form von PDF-Dateien aufbereitet. Das ist schon erheblich besser als ein Bundesordner, denn PDFs sind heute zu User-Interaktion und medialer Anreicherung fähig. Erklärende Animationen oder stimmungsvolle Brand Identity Filme wären technisch durchaus einbindbar, und wichtige Assets wie Logos oder Downloads können ohne weiteres per Download Link in einer PDF eingewoben werden. Gemacht wird das leider sehr selten, nicht zuletzt weil die Dateien mit eingebundenen Medien mitunter sehr schwer werden können.

Neue Ansätze sind gefragt

Besser jedoch als ein geschlossenes PDF-Paket ist das Einrichten und Bewirtschaften einer Brand Management Plattform. Kleinere Updates können jederzeit gleichzeitig allen Usern zugänglich gemacht werden, Downloads und Online-Generatoren wie Web2Print-Module vereinfachen den Umgang mit den wichtigsten Brand Assets erheblich, und die neuste Generation Brand Portale ermöglicht das Anlegen von Benutzerprofilen, in denen der User sich seinen Brand-Baukasten selbst zusammenstellen und für ihn relevante Themen abonnieren kann. Wie moderne Menschen eben gewöhnt sind, mit Inhalten umzugehen.

Impact erzeugen trotz Goldfischen

Man kann es gut oder schlecht finden, aber es ist eine Tatsache: Menschen von heute haben keine Geduld mehr – Forscher sprechen von 8 Sekunden Aufmerksamkeitsspanne, das ist eine Sekunde weniger als ein Goldfisch. Sie nehmen Informationen nur auf, wenn diese a) für sie jetzt im Moment Relevanz hat und b) intuitiv verständlich aufbereitet ist. Alles andere führt in der Regel dazu, dass nicht zugehört oder nicht verstanden wird. Wer das verinnerlicht hat, und dazu erkannt hat, dass Corporate Design Manuals nur dann Impact erzeugen, wenn sie von Menschen verstanden werden, wird die Erstellung seines eigenen in Zukunft anders anpacken.

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Über den Autor: Patrick Ensslin, Brand Experience Director, Member of the Executive Board bei Hotz Brand Consultants. Als erfahrener Experte in der audiovisuellen Markenentwicklung mit langjähriger Erfahrung im Corporate-Branding-Bereich verantwortet Patrick Ensslin bei Hotz Brand Consultants die Konzeption und Kreation einzigartiger Markenerlebnisse auf allen denkbaren Marken-Touchpoints. Ende 2007 gründete Patrick nach 10 Jahren Branding-Erfahrung die Agentur Sensorial Surroundings, spezialisiert auf Motion Graphics, Film und Sound Design im Corporate-Bereich.

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